AfD:Nichtwahl als Spiegelbild der Demokratie

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Dreimal ist Mariana Harder-Kühnel bei der Wahl zur Bundestags­vizepräsidentin durchgefallen. Gut vertretbar, meinen einige Leser; nicht fair, Spielregeln einhalten, monieren andere.

Mariana Harder-Kühnel von der AfD gibt ihren Stimmzettel im dritten Wahlgang für das Amt der stellvertretenden Bundestagspräsidentin ab. Sie fällt wieder durch. (Foto: dpa)

Zu "Das höchste Gut" vom 4. April, "AfD-Kandidatin erneut gescheitert" und "Ein verständliches Nein", jeweils vom 5. April:

Spielregeln beachten

Solange eine Partei in den Bundestag gewählt worden ist, so lange ist sie als Ausdruck der Volkssouveränität zu respektieren. Das besagt Art. 20 II Grundgesetz (GG) als die entscheidende "Spielregel der Demokratie". Die Entscheidung der SPD für die große Koalition hat die AfD zur stärksten Oppositionspartei gemacht. Diese Tatsache ist allen Parteien unangenehm. Es gäbe die Möglichkeit, dieses Problem grundsätzlich und strukturell zu lösen. Nämlich, der AfD ihre Verfassungswidrigkeit nachzuweisen und einen Verbotsantrag zu stellen. Da dieser Weg momentan für unbegehbar gehalten wird, versuchen die Parteien es mit symbolischen Handlungen. Fünf Siebtel der Abgeordneten berufen sich auf ihre Gewissensfreiheit und verweigern Frau Harder-Kühnel einen Sitz im Bundestagspräsidium, der ihr nach der Geschäftsordnung des Bundestages zusteht.

Nun könnten die fünf Fraktionen mit ihrer Mehrheit die Geschäftsordnung so ändern, dass der AfD kein Vizeamt mehr zustünde. Sie tun es nicht, weil dann auch Linke, Grüne und FDP ihren Anspruch auf einen Vizepräsidenten verlören. Eigene Nachteile scheinen die Kompromissfähigkeit der Fraktionen zu schmälern - auch die gescheiterte Wahlrechtsreform könnte als Beispiel dafür gelten.

Das Grundgesetz hat die "Spielregeln der Demokratie" nach den Erfahrungen in der Weimarer Republik neu gestaltet. Es gilt die wehrhafte Demokratie. Artikel 18 GG ermöglicht die Verwirkung der Grundrechte; die Parteien müssen nach Artikel 21 I GG demokratisch organisiert werden, verfassungswidrige Parteien können nach Artikel 21 II GG verboten werden. Die Feinde der Demokratie können nicht mehr die Instrumente der Demokratie für ihre undemokratischen Ziele nutzen. Jedoch gelten gerade auch dafür demokratische Spielregeln.

Dr. Werner Glenewinkel, Werther

Von Dumpfbacken befreien

Was für ein beschämendes Verhalten des Deutschen Bundestages! Als ein der FDP nahestehender langjähriger Liberaler fühle ich mich jetzt nicht mehr von der Mehrheit der Volksvertreter von CDU, SPD und den Grünen im Bundestag vertreten.

Die Ablehnung von Frau Mariana Harder-Kühnel ist das Ergebnis von beispiellosen "Hetzkampagnen" gegen die AfD, deren Mehrheit der Mitglieder ganz redliche Demokraten, ja sogar teilweise auch bekennende Christen sowie Bürger jüdischen Glaubens sind. Selbstverständlich müssen sich die Alternativen noch von den rechten "Dumpfbacken und Schreihälsen" trennen. Man kann nur hoffen, dass Annegret Kramp-Karrenbauer Kanzlerin und die CDU endlich mal eine "christliche Partei" wird.

Dipl.-Ing. Erwin Chudaska, Leer

Frauenförderung geht anders

Hier zeigt sich, wie ernst der linke Block die Frauenförderung nimmt. Während in anderen Bereichen manche dazu gezwungen werden, Frauen in Vorstände und weitere Gremien zu berufen, selbst wenn es keine geeignete Kandidatin gibt, wird der Kandidatin hier ein gesetzlich vorgesehener Platz verwehrt.

Johannes Forck, Freiburg

Eine Klugheitsentscheidung

Abgeordnete des Deutschen Bundestages oder seine Fraktionen, auch die der AfD, dürfen in ihren Rechten nicht verkürzt werden. Aber weder die AfD als Partei noch deren Bundestagsfraktion haben einen Rechtsanspruch darauf, dass ein Abgeordneter aus ihren Reihen zum Präsidenten oder Vizepräsidenten des Bundestages gewählt wird, auch nicht "laut den Regularien" (was ein schwammiger Ausdruck ist). Vielmehr werden die Mitglieder des Präsidiums von den Abgeordneten gewählt. Es steht mithin jedem Abgeordneten frei zu entscheiden, wem er seine Stimme geben oder nicht geben will. Dass die Fraktionen des Bundestages über ihre Kandidaten für das Präsidium Absprachen treffen, ist zwar wahr, stellt aber allenfalls eine Gepflogenheit dar, bei der man sich hüten sollte, eine Regel, geschweige denn ein Recht daraus zu machen. Mit anderen Worten: Es ist eine politische Klugheitsentscheidung, ob man eine AfD-Abgeordnete zur Vizepräsidentin des Parlamentes wählt oder nicht. Aus Klugheitserwägungen hätte freilich alles dafür gesprochen, Frau Harder-Kühnel zur Vizepräsidentin zu wählen, um der AfD die Möglichkeit zu nehmen, sich ein weiteres Mal als die verfolgte Unschuld zu gerieren. Aber die Nichtwahl Frau Harder-Kühnels ist nun auch keineswegs eine Missachtung des "höchsten Guts der Demokratie", sondern nichts weiter als die Tatsache, dass die Kandidatin nicht die nötige Mehrheit der Stimmen gefunden hat.

Prof. Dr. Jens Kulenkampff, Erlangen

Arroganz der Regierenden

Die Argumentation im Kommentar "Ein verständliches Nein" folgt nur dem üblichen AfD-Bashing. Sie sprechen von einem "tonangebenden" Teil der AfD. Gibt es diese tonangebenden Teile nicht auch in anderen Parteien, die sich ja bekanntlich auch gerne in Flügel aufspalten lassen, ohne dass sich je ein Mensch an dieser Einteilung gestört hätte? Auch wenn ich selbst keine Sympathie für die AfD hege, stört es mich als Demokrat, wenn eine Partei von 12,6 Prozent der Bevölkerung gewählt wurde und dann von den anderen, sich als etwas Besseres fühlenden Parteien derart ausgegrenzt wird. Das heißt de facto, dass man acht Prozent der wählenden Bevölkerung für inkompetent hält. Die Arroganz der Regierenden lässt sich kaum besser dokumentieren. Ich muss leider konstatieren, dass der AfD nicht mit Sachargumenten Paroli geboten wird, sondern mit Ausgrenzung.

Dipl.-Päd. Peter Butzbach, Köln

© SZ vom 11.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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