Achtsamkeit:Kollektiver Zwang zur Heuchelei

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Viel Lob für einen SZ-Beitrag, der aufzeigt, dass Strebertum in Sachen Empathie nicht zur Befreiung, sondern zu neuen Zwängen führen kann.

Zu "Auf die Fresse, Herzblatt" vom 9. Juli (Feuilleton):

Herzlichen Dank an Hilmar Klute für seinen tollen Beitrag. Ein Beitrag, der einlädt, genauer hinzusehen, und der auch aufwecken möge. Klute blickt hinter die Rede vom achtsamen Reden und zeigt deren Janusköpfigkeit treffend auf. Achtsamkeitsstreben kann eben auch zur reinen Routine werden, und viel mehr noch kann hinter dem Begriff oder mittels dieses Begriffs über das Empfindlichkeitsgedöns hinaus mehr oder weniger unterschwellig viel Einschränkung, Verbot und Zurechtweisung verbunden sein. Ein schönes Wort, das aber zugleich Zensur sein kann.

Nichts gegen natürliche Höflichkeit, Achtsamkeit, Empathie. Im Gegenteil. Aber Schein- und Tarngefechte mit schönen oder schön klingenden Worten helfen nicht weiter. Klartext, Offenheit, eine direkte, allgemein verständliche Sprache, kein sprachliches Herumeiern und Verschleiern, das wünscht man sich doch sehr. Um zu wissen, wie es wirklich ist und wie man dran ist.

Demokratie heißt Diskussion, heißt miteinander reden, miteinander streiten und gemeinsam versuchen, einen guten Nenner, einen möglichst guten Kompromiss zu finden. Wertschätzung ist notwendig, tut gut, aber sie muss ehrlich sein, möglichst wechselseitig. Aber Streit, auch harten Streit in der Sache soll sie nicht verhindern. Und Spontaneität und Emotionen sollten auch nicht bis zur Unkenntlichkeit verschwinden oder immer nur schöngefärbt werden. Gelebte Vielfalt und Toleranz statt Einebnung und Gleichmacherei, darum geht es.

Diese immer stärkeren Einschränkungen durch Correctness, Cancel Culture, Message Control und so weiter sind jedenfalls kein Gewinn, sondern unwürdig und sollten viel stärker abgelehnt werden.

Karl Brunner, Klagenfurt/Österreich

Vielen Dank an Hilmar Klute für diesen erfrischenden Beitrag, der die aktuellen Befindlichkeitsstörungen mit viel Wortwitz auftischt. Erschreckend die Überlegungen der zitierten Mutter (Journalistin!) zum Thema Küssen. Ergibt sich die Frage, ob Holzspielzeug sprechen kann. Tja, da wird wohl ein Großteil der Märchen neu geschrieben werden müssen. Ich wusste nicht, dass wir schon so weit weg sind. Da kann ich mich Gottfried Benn und seinen Ausführungen zum Thema Menschheit (die sei "ein großer Dreck"; d. Red.) nur anschließen.

Peter Butzbach, Köln

Erfrischend und ehrlich, was der Verfasser Hilmar Klute da zu achtsamer und wertschätzender Sprache schreibt. Ich bin gespannt, ob die Gemeinde für Achtsamkeit und Entrüstung Herrn Klute gleich um ein paar Jahre älter machen wird, um ihn dann als "alten, weißen Mann" zu klassifizieren, der nichts verstanden habe und nicht lernen wolle.

Dr. Martin Wöhrle, Aidlingen

Erstklassiger Beitrag und Kommentar, großes Kompliment für diesen Text, danke, Hilmar Klute! Goethe, Hegel, Kant, Lessing, Mann, Schiller, Zweig und viele andere mehr würden sich angesichts der aktuellen, neuartigen Sprach- und Verhaltenskultur im Grabe umdrehen.

Es stimmt mich wirklich total optimistisch, dass es so klar denkende Autoren wie Sie gibt. Mit sommerlichem Morgengruß aus der Hauptstadt,

Karl-Heinz Keilholz, Berlin

© SZ vom 21.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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