Zielvereinbarungen:Gib alles für den Bonus

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Zielvereinbarungen sollen Mitarbeiter motivieren. Doch in der Praxis gibt es viele rechtliche Unklarheiten. Nicht selten bremsen sie Mitarbeiter aus - oder landen sogar vor Gericht.

Ina Reinsch

Eigentlich ist es ganz einfach: Chef und Mitarbeiter setzen sich zusammen, überlegen, wo es langgehen soll und welche Ergebnisse am Ende des Jahres gefeiert werden sollen. Das Ergebnis dieses Gesprächs nennt man Zielvereinbarung.

Gib alles für den Bonus: So weit Zielvereinbarungen in der Arbeitswelt verbreitet sind, so ungenau ist oft ihre Regelung. (Foto: Foto: iStock)

Nur: So weit Zielvereinbarungen in der Arbeitswelt verbreitet sind, so ungenau ist oft ihre Regelung. Einer Vertriebsleiterin aus Brandenburg etwa erging es so: Erst wollte der Vorgesetzte die Vereinbarung aus dem Vorjahr einfach fortführen. Und das, obwohl die Mitarbeiterin die Vorgaben ihrer Ansicht nach wegen der schlechten Wirtschaftslage gar nicht mehr erreichen konnte.

Ziele müssen erreichbar sein

Dann schlug der Chef vor, das Fixgehalt zu kürzen, dafür könne man dann auch die Umsatzhürde für das variable Gehalt etwas senken. Die Mitarbeiterin lehnte dankend ab. Im Oktober 2006 kam es zur Trennung. Seither beschäftigt der Fall die Gerichte. Mehr als 70.000 Euro fordert die Klägerin als Nachzahlung. Gestritten wird über die Zielvereinbarungen - oder besser gesagt über die nicht vorhandenen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte im Fall der Vertriebsleiterin klar, dass der Arbeitgeber nur erreichbare Ziele vorschlagen darf. Außerdem dürfe er die Zielvereinbarung nicht an eine Änderung des Arbeitsvertrages knüpfen. Im Zweifel müsse er beweisen, dass ihn am Nichtzustandekommen einer solchen Vereinbarung keine Schuld treffe (10. Dezember 2008, Az.: 10 AZR 889/07). Die Richter verwiesen den Fall an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zurück, das nun den genauen Hergang ermitteln muss. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus.

"Wenn die Parteien nicht regeln, was im Falle einer unterbliebenen Zielvereinbarung passieren soll, ist Streit programmiert", sagt der Münchner Rechtsanwalt Bernd Haas aus der Kanzlei Klein & Partner. Erst im Jahr 2007 hatte das BAG ein Grundsatzurteil zu der Frage gefällt und entschieden, dass einem Mitarbeiter Schadenersatz zusteht, wenn aus Gründen, die der Arbeitgeber zu vertreten hat, keine Zielvereinbarung getroffen wurde (12. Dezember 2007, Az.: 10 AZR 97/07).

Mitschuld am Konflikt

Für die Höhe des Schadens sei dann der Betrag maßgeblich, der für den Fall, dass das vereinbarte Ziel erreicht wird, zugesagt wurde. Allerdings stellten die Richter klar, dass auch den Arbeitnehmer eine Mitschuld am Konflikt treffen kann.

Damit es gar nicht erst zum Streit kommt, sollten Chef und Mitarbeiter sämtliche Fragen in einer Rahmenregelung klären. "Alle Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers", betont Doris-Maria Schuster, Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Frankfurter Kanzlei Gleiss Lutz. Die angestrebten Ergebnisse können dann in einer Zielvereinbarung jährlich neu festgesetzt werden.

Auf der nächsten Seite: Welche Regeln vor Arbeitsgerichten keinen Bestand haben - und wie sich Mitarbeiter gegen unfaire Vorgaben wehren können.

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Dabei gilt: "Gegenüber Zielvorgaben haben Zielvereinbarungen den Vorteil, dass sie als einvernehmliche Regelung nur einen eingeschränkten Überprüfungsspielraum durch die Gerichte zulassen", so Schuster. Bei den Zielvorgaben bestimmt der Arbeitgeber hingegen einseitig, welche Ergebnisse erreicht werden sollen, etwa: "Mitarbeiterin Otto hat monatlich die Auftragsstatistik zu aktualisieren".

Arbeitsgerichte können solche Anweisungen komplett überprüfen. "Zielvereinbarungen sind natürlich wesentlich motivierender für den Mitarbeiter", sagt die Münchner Managementberaterin Ewa Nitsch. "Er kann an der Ausgestaltung mitwirken und mitverhandeln. Das ist ein großer Anreiz."

Unterbliebene Vereinbarungen sind nur einer von vielen möglichen Streitpunkten, die vor deutschen Arbeitsgerichten verhandelt werden. Was etwa passiert mit dem Bonus, wenn ein Mitarbeiter das Ziel nur knapp verfehlt oder längere Zeit krank ist? Was, wenn ihm gekündigt wird?

Kein System für Schuldzuweisungen

Wer das Ziel nicht ganz erreicht, sollte nicht die gesamte Prämie verlieren. Nitsch: "Das ist extrem demotivierend." Bewährt hat sich etwa die Regelung, dass die Prämie sich im gleichen prozentualen Verhältnis ändert wie das Ergebnis vom Ziel abweicht. Wer unter 75 Prozent bleibt, erhält in der Regel nichts. "Die Beteiligten sollten aber immer nachfragen, warum es nicht geklappt hat", so die Managementberaterin. So könne es in der Krise durchaus angebracht sein, Ziele anzupassen. Als Schuldzuweisungssystem taugten Zielvereinbarungen nicht.

Viele Faktoren können das Ziel bestimmen: die Zahl der bearbeiteten Aufträge, der Umsatz in einer Abteilung. Messbare Größen lassen sich relativ leicht ermitteln. Dagegen ist etwa die Frage, ob ein Mitarbeiter seine Fähigkeit verbessert hat, beim Kunden mit Präsentationen zu punkten, schwer zu beantworten. "Aber auch weiche Ziele kann man in den Griff bekommen, etwa mit Umfragen zur Kundenzufriedenheit", sagt Nitsch.

Erreicht ein Mitarbeiter seine Ziele nicht, kann der Grund auch in einer längeren Krankheit liegen. "Wenn der Arbeitgeber in einem solchen Fall den Bonus kürzt, ist das problematisch", erklärt Schuster. "Möglich ist dies wohl für die Zeit, die über die sechs Wochen hinausgeht, in denen der Mitarbeiter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhält", so die Expertin.

Widersprüchliche Klauseln

Knifflig ist laut Anwalt Haas auch die Frage, was passiert, wenn der Mitarbeiter den Betrieb verlässt, etwa weil er selbst gekündigt hat. Häufig findet sich in Verträgen die Regelung, dass der Bonus zeitanteilig bezahlt wird, laut Haas eine angemessene Regelung. "Ob man in einer Rahmenvereinbarung festschreiben kann, dass der Bonus in einem solchen Fall ganz entfällt, scheint hingegen zweifelhaft", so der Jurist "jedenfalls dann, wenn der Bonus leistungsbezogen ist und nicht die Unternehmenstreue belohnt."

Prämien in schlechten Zeiten zurechtzustutzen, ist juristisch nicht immer machbar. Das BAG hat hier enge Grenzen gesteckt: Der Arbeitgeber kann lediglich einen so genannten Widerrufsvorbehalt vereinbaren. "Damit die Regelung wirksam ist, muss sie erkennen lassen, aus welchem Grund der Arbeitgeber die Zahlung widerrufen kann, also etwa wegen eines Gewinneinbruchs", betont Fachanwalt Manfred Schmid aus der Münchner Kanzlei M. Law Group. Außerdem müsse der Arbeitgeber sicherstellen, dass der verbleibende Gesamtverdienst des Mitarbeiters nicht um mehr als 25 Prozent sinkt. Auch der Tariflohn dürfe nicht unterschritten werden.

Ist da die oft verwendete Formulierung "Die Zahlung erfolgt freiwillig und unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs" überhaupt zulässig? "Diese Klausel ist laut BAG widersprüchlich", warnt Schmid. Diese Kombination aus Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt legt das BAG als Widerrufsvorbehalt aus. Fatale Folge: "In der Regel sind hier die Widerrufsgründe nicht genannt, die Klausel ist unwirksam", so der Anwalt. Auch die Formel "die Zahlung erfolgt freiwillig" sei bei Zielboni unzulässig. Schmid: "Man hat sein Ziel erfüllt, soll aber nichts bekommen? Das wäre doch wie der Hase beim Windhundrennen."

© SZ vom 25.7.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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