Führungsspitzen:"Ich niete dich um!"

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Drohungen, Beleidigungen oder Schmähungen im Internet: Wie weit dürfen Arbeitnehmer gehen, wenn sie auf ihre Vorgesetzten wütend sind? Wer seinen Chef als "Armleuchter" bezeichnet oder die Vorgesetzte als "blöde Kuh", riskiert seinen Job. Doch Arbeitsgerichte urteilen differenziert - und gucken auch auf den Umgangston im Unternehmen.

Harald Freiberger

Der Betriebsratsvorsitzende hatte sich mit seinen Chefs gestritten, am Ende machte er seinem Ärger Luft und wünschte ihnen ein "beschissenes Wochenende". Die Chefs ließen das nicht auf sich sitzen und schickten ihm eine Abmahnung - zu Recht, wie das Arbeitsgericht Koblenz jetzt entschied.

Nicht jeder Verbalausfall führt zur Kündigung - aber wer Vorgesetzte beleidigt, bewegt sich zumindest immer hart an der Grenze. (Foto: iStockphoto.com)

Es gehöre zu den "arbeitsvertraglichen Pflichten, respektvoll mit seinen Kollegen umzugehen". Der Fall zeigt wieder einmal, dass es sich meistens nicht lohnt, sich mit seinen Vorgesetzten anzulegen oder sie gar zu beschimpfen.

Es gibt dazu eine Reihe von Präzedenzfällen, die von Gerichten entschieden wurden. Wer seinen Chef im Beisein von anderen Mitarbeitern zum Beispiel als "faulen Sack" bezeichnet, riskiert seinen Arbeitsplatz. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main erklärte eine ordentliche Kündigung danach für rechtens - "wegen der massiven Störung des Betriebsfriedens und der Untergrabung der Autorität des Vorgesetzten".

Gefährlich ist es auch, im Internet Nachteilhaftes über den Arbeitgeber zu verbreiten. Ein Arbeitnehmer hatte sein Unternehmen in einem Blog "Zuhälterfirma und Sklavenbetrieb" genannt. Das war eine strafbare üble Nachrede, die folgende fristlose Kündigung war gerechtfertigt, entschied das Arbeitsgericht Frankfurt.

In der Schweiz sind Richter auch nicht viel toleranter: Dort sollte eine Sekretärin in ihrer Firma die Telefonliste aktualisieren. Als die Vorgesetzte mit dem Arbeitsergebnis nicht einverstanden war, sagte die Sekretärin: "Sie können mich langsam . . ." Die folgende Kündigung sei rechtens gewesen, urteilte das Kantonsgericht Appenzell Außerrhoden.

Pfeife, Blödmann oder Armleuchter

Außerdem war es zulässig, dass das Unternehmen eine Formulierung im Arbeitszeugnis korrigierte: Es durfte bei dem Satz, wonach der Umgang der Klägerin "stets freundlich, zuvorkommend und korrekt" gewesen sei, das Wort "freundlich" weglassen.

Allerdings führt nicht jede Beleidigung automatisch zum Rauswurf. Die Gerichte berücksichtigen auch Umstände wie die Umgangsformen im Betrieb, den Bildungsgrad des Arbeitnehmers oder Provokationen durch den Arbeitgeber.

So beschimpfte eine Bürokraft in Berlin ihre Vorgesetzte als "blöde Kuh" und durfte trotzdem ihren Job behalten. Das Landesarbeitsgericht Berlin erklärte die Kündigung für unwirksam, da in der Firma ein rauer Umgangston üblich sei, außerdem sei die Frau von der Vorgesetzten provoziert worden.

Selbst Beschimpfungen wie "blöder Sack" oder "Arschloch" sind nicht immer ein Grund für eine Kündigung. Richter entschuldigten auch schon Ausrutscher wie "Armleuchter", "Pfeife" oder "Blödmann", wenn es in der Branche grundsätzlich rau zugeht oder der Chef sich vorher danebenbenommen hat.

Einzelfall ist entscheidend

Das Arbeitsgericht Herne hielt es nicht für kündigungswürdig, dass ein Mitarbeiter seinen Arbeitgeber als "Zecke" bezeichnete. Das sei eine Frotzelei, keine Beleidigung.

Noch lässiger urteilte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Es hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Mitarbeiter außerhalb der Arbeitszeit eine Waffe auf seinen Chef richtete. Gleichzeitig drohte er ihm: "Ich niete Dich um."

Die Richter nahmen die Drohung aber nicht so ernst. Sie sahen das Arbeitsverhältnis "nicht konkret beeinträchtigt" und wiesen die Kündigung ab. Es kommt halt auf den Einzelfall an.

© SZ vom 31.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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