Studiengänge für Lehrer:Chef an der Tafel

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Kollegen führen, Kosten managen, Konflikte lösen: Lehrer müssen viel mehr können, als ihren Stoff an die Schüler zu bringen - vor allem, wenn sie in die Schulleitung wollen. Die ersten Hochschulen bieten spezielle Aufbaustudiengänge an.

Eva Keller

Schule wandelt sich. Auf der einen Seite haben Schulen Freiheit gewonnen - wie die Verantwortung über ein eigenes Budget. Auf der anderen Seite stehen sie unter dem Zwang, permanent neue Verordnungen und Gesetze umzusetzen; das Programm für Ganztagsschulen und die UN-Behindertenrechtskonvention sind nur zwei der bekannteren Beispiele. Beides, die Freiheit und der Reformdruck, bedeutet Mehrarbeit und braucht breites Wissen - vor allem von der Schulleitung.

"Früher war ein Schulleiter ein primus inter pares, also jemand, der neben dem Unterricht noch einige Verwaltungsaufgaben übernahm", sagt Carsten Ansorge, Diplom-Pädagoge und Koordinator des Fernstudiums Schulmanagement an der Technischen Universität Kaiserslautern. Heute steht im Idealfall an der Spitze des Lehrerkollegiums jemand, der eine Vorstellung davon hat, wohin sich die Schule entwickeln soll. "Die Vision einer besseren Schule können Schulleiter nicht alleine umsetzen", sagt Ansorge. "Sie brauchen dafür engagierte Kollegen, müssen in der Lage sein, Aufgaben zu delegieren und Verbindlichkeit zu schaffen, und sie müssen die Umsetzung kontrollieren." Wichtig sei es außerdem, dass ein Schulleiter das Kollegium für den gemeinsamen Auftrag begeistern könne.

Es wird zu viel über schlechte Lehrer geredet und zu wenig über gute. (Foto: dpa)

Das Lehramtstudium an den Hochschulen bereitet nicht auf Führungspositionen vor. In der Praxis freilich haben sich unzählige Schulleiter längst in die neuen Aufgaben eingearbeitet - und handeln dabei oft intuitiv richtig. Schließlich ist es auch eine Frage des Gespürs und nicht allein von Methodenkompetenz, wie man das Kollegium motiviert oder Teams formt. Trotzdem wünschen sich einige Direktoren ein theoretisches Fundament für ihre Arbeit - und zwar über das hinaus, was Seminare zu Schulmanagement oder Schulentwicklung vermitteln, welche die Schulämter und Ausbildungszentren der Bildungsministerien zunehmend anbieten.

Schulleiter und solche, die es werden wollen, oder Lehrer, die in ihrer Schule Zuständigkeiten wie Qualitätssicherung übernehmen wollen: Sie sind die Zielgruppe des Studiengangs Schulmanagement an der TU Kaiserslautern und anderer, ähnlicher Fern- und Präsenzstudiengänge an Universitäten in Kiel, Berlin und Kassel.

Kerstin Lenz ist eine Absolventin: Sie war bereits einige Jahre lang Schulleiterin einer Bremerhavener Grundschule und damit beschäftigt, diese in eine Ganztagsschule umzuwandeln, als sie sich für das Studium einschrieb. "Das war eine Herausforderung und auch ein Einschnitt ins Privatleben", kommentiert sie die Arbeitsbelastung im Rückblick. Doch hatte sie sich schon immer für Schulentwicklung interessiert, und nun, wo sie selbst mitten drin steckte, reizte sie die theoretische Reflexion ihrer Arbeit. "Wie schaffen wir es, bei Kindern die Faszination fürs Lernen zu entfachen und sie dabei zu unterstützen, dass sie kluge, gesunde, selbstbewusste und fröhliche Menschen werden? Diese Frage treibt mich seit jeher an", sagt Lenz.

Leicht ist es nicht, Kinder so weit zu bringen. Denn ob Armut oder ein schwieriges Elternhaus: "Die Herausforderungen unserer Zeit, die Sorgen der Kinder erleben wir täglich hautnah. Für den Umgang mit diesen Problemen brauchen wir ein professionelles Rüstzeug", findet Lenz.

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Eben dieses Rüstzeug will der Studiengang Schulmanagement vermitteln. Die Studienmodule - davon vier Pflicht- und fünf Wahlmodule - tragen Titel wie "Lernen und Lernkulturwandel", wobei es um eine Didaktik geht, die Schülern das eigenständige Suchen und Finden von Antworten ermöglicht, "Bildungspolitik und Schulrecht" oder "Schulentwicklung".

Fragestellungen aus der Praxis tauchen immer wieder auf. Sei es, weil sie in den Studienbriefen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden, sei es, weil die Teilnehmer ihre Erfahrungen und Meinungen in Foren austauschen. So haben sich Lenz und ihre Kommilitonen zum Beispiel auch mit der aktuellen Frage beschäftigt, wie sich Inklusion umsetzen lässt - organisatorisch, personell. "Das Studium hat mir noch einmal die Notwendigkeit bewusst gemacht, Schulentwicklung im Systemzusammenhang zu gestalten und in der Schullandschaft zu verankern", sagt Lenz.

Ein Jahr lang hat die 50-Jährige ihr neues Wissen noch umgesetzt, dann wurde sie abgeworben. Sie arbeitet nun als Referentin bei der Bremer Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit. Ihre frühere Schule wird aber weiter in ihrem Sinne geleitet, von einer ehemaligen Kollegin, mit der gemeinsam sie Schulmanagement studiert hat.

© SZ vom 22.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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