Studentenstreik-Gegner:"Bequeme Fundamentalkritik"

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Gottfried Ludewig, Vorsitzender des konservativen Studentenverbands RCDS, über die schrillen Töne der Studentenproteste und das aktuelle Entgegenkommen aus der Politik.

Johannes Kuhn

"Kein Verständnis für Möchtegern-68er" titelt der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) auf seiner Homepage über die aktuellen Studentenproteste. Dem konservativen Verband gehören 100 Hochschulgruppen in ganz Deutschland an, er zählt insgesamt 8000 Mitglieder. Gottfried Ludewig, 27, Sohn des ehemaligen Bahnchefs Johannes Ludewig, ist der Vorsitzende des RCDS und in dieser Funktion auch Mitglied des CDU-Bundesvorstands.

Studentenproteste in Dresden: Für Slogans wie "Tatort Bologna, Opferzahl steigend" hat RCDS-Vertreter Ludewig wenig Verständnis (Foto: Foto: AP)

sueddeutsche.de: Herr Ludewig, der niedersächsische Wissenschaftsminister Lutz Stratmann hat Reformen der Bachelor-Studiengänge angekündigt, die Bundesbildungsministerin spricht sich inzwischen für eine Erhöhung des Bafög aus. Sind das Schritte in die richtige Richtung oder ist das ein Einknicken vor dem Druck der Straße?

Gottfried Ludewig: Die Bachelor-Reform geschieht auch weiter an den Hochschulen vor Ort und nicht im Ministerium. Dass wir hier noch weiter den Druck auf die Hochschulen erhöhen, hatten wir bereits im Sommer vereinbart. Und das Bafög ist am deutlichsten in der letzten Legislaturperiode erhöht worden - ohne einen einzigen Protest auf der Straße. Die erneute Erhöhung schließt hier an und ist nur konsequent.

sueddeutsche.de: Wie steht der RCDS zu den aktuellen Studentenprotesten?

Ludewig: Da wir als Verband eine ganzheitliche Bildungspolitik verfolgen, hat sich kaum jemand aktiv an den Protesten beteiligt. Zudem ist das ja ein organisierter Protest von den Leuten, die in den Allgemeinen Studentenausschüssen (AStA) sitzen und eine meist politisch motivierte Zielrichtung verfolgen, die von uns nicht in Gänze mitgetragen wird. Eine spürbare Mobilisierung der Studentenschaft gibt es kaum.

sueddeutsche.de: Der Protest ist Ihrer Ansicht nach also nur ein Medienphänomen?

Ludewig: Er wird zumindest in gewisser Weise von den Medien hochgespielt, weil die Medien gerne kreative Protestformen aufnehmen. Dabei ist der Bologna-Prozess deutlich komplexer. Das hat etwas mit der Verteilung von Zuständigkeiten, mit Mitbestimmung zu tun, da wirken Hochschulen, Landesregierungen und die Bundesregierung mit. Was bei den Protestierenden herauskommt, sind Parolen von vorgestern: Bologna abschaffen, Numerus clausus abschaffen, Exzellenzinitiative abschaffen.

sueddeutsche.de: Schießen die demonstrierenden Studenten über das ZIel hinaus?

Ludewig: Was sind denn die Ziele? Das wissen viele doch selbst nicht! Einfach nur zu sagen: Bildung für alle und zwar umsonst, mehr Geld ins System und zurück in de Vergangenheit, das wird von niemandem ernst genommen. Und an wen richten sich die Proteste? An die Hochschul-Rektoren? An die Bundesbildungsministerin? Das Audimax im Winter zu besetzen, wo es draußen eh kalt ist, das schadet niemandem - außer den Studenten, die Vorlesungen verpassen und am Ende des Semesters Klausuren schreiben müssen.

sueddeutsche.de: Mitglieder der Hochschulrektorenkonferenz haben inzwischen Verständnis für die Proteste geäußert. Mit Recht?

Ludewig: Man kann verstehen, dass es Kritik am Bologna-Prozess gibt. Aber Verständnis für diejenigen Protestierer, die eher an einer "Weltrevolution" als an der Sache interessiert sind, habe ich nicht. Abgesehen davon: Die Hochschulrektorenkonferenz und der Deutsche Hochschulverband sollten endlich von der Zuschauertribüne runterkommen und aktiv den Bologna-Prozess gestalten. Verständnis allein hilft nicht.

sueddeutsche.de: Teilen Sie die Kritik an Bachelor- und Masterstudiengängen?

Ludewig: Ja. Es gibt Dinge, die wir diskutieren müssen: Sind die Studiengänge zu stark verschult? Wieso müssen so wenige Professoren so viele Studenten betreuen? Wie können wir die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen an Hochschulen verbessern und die Mobilität erhöhen? Aber vieles von dem, was jetzt artikuliert wird, ist nicht neu, die Probleme gab es schon im Magister- und Diplomsystem. Was wir jetzt aber brauchen, sind Konzepte und nicht allein eine bequeme Fundamentalkritik.

sueddeutsche.de: Was wird jetzt aus dem Protest?

Ludewig: Im Moment wissen die Protestler ja gar nicht wohin vor lauter Verständnis von Seiten der Politik und der Hochschulen. Die Medien werden am Thema das Interesse verlieren, doch dann werden die meisten Streikenden zu bequem sein, in die Kommissionen der Hochschulen zu gehen, um sich konstruktiv an den Lösungen zu beteiligen. Und nächstes Frühjahr werden sie sich wieder beschweren. Der Protest muss sich auf wenige umsetzbare Ziele konzentrieren um erfolgreich zu sein, wie beispielsweise eine strukturelle Verbesserung der Bachelor- und Masterstudiengänge.

sueddeutsche.de: Und wie sollte es Ihrer Meinung nach weitergehen?

Ludewig: Wenn wir uns darauf einigen, dass ideologische Forderungen wie die Abschaffung von Numerus clausus und Exzellenzinitiative niemandem weiterhelfen, sind wir schon einen Schritt weiter. Für die Probleme des Bologna-Prozesses gibt es ganz konkrete Lösungen: Die Verschulung der Studiengänge muss an den Hochschulen vor Ort reduziert werden. Die gegenseitige Anerkennung von Studienleistungen zwischen den Universitäten muss verbessert werden - ein gutes Beispiel sind hier die TU9, die neun größten Technischen Universitäten in Deutschland, die untereinander sogenannte Äquivalenzvereinbarungen getroffen haben. Hier müssen die anderen Hochschulen noch deutlich aufholen!

sueddeutsche.de: Wo zwischen "rumstudieren" und schnellem Abschluss sollte das Pendel an den deutschen Unis ausschlagen?

Ludewig: Das Studium generale ist eine wichtige Sache, es darf aber nicht dazu führen, dass wir am Ende Studierende haben, die aufgrund mangelhafter Betreuung und Strukturen im 34. Semester studieren und wahrscheinlich nie einen Abschluss machen werden. Allerdings ist das Gerede vom überfordernden Turbo-Studium, gelinde gesagt, übertrieben: Wenn ich hier in Berlin nachmittags im Prenzlauer Berg oder Kreuzberg unterwegs bin und in die Cafés gucke, wenn ich mir die Besucherzahlen von Studentenpartys ansehe, dann habe ich nicht den Eindruck, dass für die Freizeitgestaltung keine Zeit mehr bleibt.

sueddeutsche.de: Wie lautet Ihr Fazit zu den neuen Studienabschlüssen?

Ludewig: Um es klar zu sagen: Weder ist der Bologna-Prozess das Optimum, noch war es das System von Diplom und Magister, welches beispielsweise zu vielen Studienabbrechern geführt hat. Die Hochschulen sind jetzt gefordert, aus dem Bologna-Prozess einen Erfolg zu machen, anstatt sich immer nur über die Politik zu beschweren. Der individuelle Gestaltungsspielraum der Universitäten reicht schon jetzt aus, um den Studenten ein erfolgreiches Studium zu ermöglichen. Diese Spielräume müssen besser genutzt werden.

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