Smalltalk-Seminare:Raus mit der Sprache!

Lesezeit: 3 Min.

Alle reden über das Wetter, aber wer tut das schon gern? Ein Seminar will Lust am Smalltalk wecken.

Von Susanne Balthasar

Smalltalk klingt nicht gut. Es klingt nach Aufzug-Peinlichkeit und Partygeschwätz, nach Zeitverschwendung und Blabla. Smalltalk wird häufig als kleine Stiefschwester des ergiebigen Gesprächs betrachtet. Man redet belanglos über belanglose Themen. Muss das sein? Ja, es muss ein, meint die Hamburger Kommunikationstrainerin Helga Sanne. "Der Inhalt muss nebensächlich sein, denn eigentlich geht es um etwas ganz anderes."

Sanne nimmt den Smalltalk ernst. Als Möglichkeit, einen guten Eindruck zu hinterlassen, die Wellenlänge des Gegenübers zu orten und eine emotionale Beziehung zu ihm aufzubauen. In Deutschland sei die Kultur des Smalltalks verkümmert: "Von deutschen Geschäftsleuten höre ich oft: Wozu Smalltalk? Wir wollen doch Geschäfte machen." Helga Sanne hält dagegen: "Verkaufen hat mit Überzeugen zu tun, und das hat mit Emotionen zu tun. Sie verkaufen nichts ohne Emotionen." Deshalb bringt sie Plaudermuffeln das Sprechen bei.

Zehn Teilnehmer sind zum Smalltalk-Seminar erschienen. Sie leiden darunter, dass ihnen auf Partys oder am Messestand einfach nichts über die Lippen kommt. Sie wollen lernen, Kontakte zu knüpfen, Situationen aufzulockern, den Gegenüber abzutasten oder ein ernsthaftes Gespräch, den Big Talk, einzuleiten.

"Das A und O", sagt die Trainerin, "ist eine gute Körpersprache." Also lächeln, Augenkontakt halten und eine zum Partner hingewandte Haltung einnehmen. Natürlich sollten Außen und Innen übereinstimmen, also eine aufgeschlossene Körpersprache mit echtem Interesse und dem Bemühen, dem anderen eine angenehme Situation zu schaffen, einhergehen.

Dass dies leichter erklärt als getan ist, zeigt die Praxisübung. Die Teilnehmer sitzen im Kreis, sollen von rechts ein Wort empfangen und eine Assoziation, die den Nachbarn erfreuen könnte, nach links weitergeben. Und das bitte recht freundlich. Während das Hirn mit den Assoziationen kämpft, kleben die Augen am Vordermann statt sich dem Nächsten zuzuwenden. Eine Frau rudert abwehrend mit den Armen, bevor sie ihre Assoziation verschenkt. "Sie werten sich selber ab, bevor sie etwas sagen", sagt Helga Sanne, "setzen sie sich nicht so unter Druck, etwas besonders Tolles sagen zu müssen!" Einige Teilnehmer vergessen zu atmen, wenn sie mit dem Assoziieren an der Reihe sind. Diese Erwartung an die eigene Person findet die Trainerin symptomatisch: "Es geht darum, Leistung zu zeigen und nicht Persönlichkeit. Viele haben Angst, in Gesellschaft nicht zu bestehen, weil sie den Erwartungen der anderen nicht gerecht werden." Und schon verkommt die Kommunikation.

Aber worüber kommuniziert man eigentlich mit jemandem, wenn man eigentlich nichts zu sagen hat? Auf keinen Fall über Krankheiten und Politik, das könnte negative Assoziationen wecken oder Streit provozieren. Bessere Themen sind das Wetter, der Anlass des Treffens, Urlaub, Kultur, aktuelle Ereignisse oder Kinder. Aber nicht einfach so dahergequatscht, sondern mit echtem Interesse. Zeigen sie dieses Interesse, sagt Helga Sanne, fragen sie und halten sie sich selber kurz. Aber nicht zu kurz. Wer einsilbig oder maulfaul mit Ja oder Nein antwortet, würgt den anderen ab.

Was aber tun, wenn der Gesprächspartner verstockt ist? Offene Fragen stellen. W-Fragen wie "wie finde sie..." oder "warum sind sie hier?", also solche Fragen, die nicht mit einem Wort beantwortet werden können, sondern dem anderen einen ganze Satz entlocken. Ob zuviel Fragen nicht auch neugierig wirken könnte, wendet eine Frau ein. "Nein", entscheidet Helga Sanne, denn es gibt einen Unterschied zwischen Neugier und Interesse. Auch wenn viele Eltern ihren Kindern beibringen, dass man das nicht tut: fragen. Und dann kann man das Thema ja auch mit einer Ich-Aussage steuern, also indem man etwas von sich erzählt. Ein Beispiel aus den Seminarübungen: "Ich habe einen Hund." - "Ach, wie schön. Meine Schwester auch."

Das hört sich ziemlich langweilig an? Macht nichts, sagt Helga Sanne. "Das Thema muss belanglos sein, denn es geht um etwas anderes." Den anderen wahrzunehmen. Mit den Augen, der Nase und den Ohren. Wenn die Sinnesorgane ans Hirn melden, dass sich ein Big Talk nicht lohnt, gilt es, den kunstvoll geknüpfte Kontakt ebenso kunstvoll wieder zu lösen. Um beides zu üben, scharen sich die Smalltalk-Schüler in Gruppen um Stehtischen, wo beim Bäumchen-wechsel-Dich Anfang und Ende eines gelungenen Smalltalks zu proben. "Schön, dass wir uns getroffen haben, aber da vorn steht noch ein Bekannter" oder "Danke für das Gespräch, nun muss ich mir aber etwas zu essen holen".

Eine kleine Nettigkeit zum Schluss für eine gute Abschiedsstimmung, und schon geht die Suche weiter. "Lassen Sie ihr Ziel nicht aus den Augen", mahnt Sanne, "Sie wollen Kontakte knüpfen, Visitenkarten sammeln oder einen schönen Abend haben." Für letzteres übrigens ist der reine Smalltalk nicht wirklich geeignet. Das räumt auch die Trainerin ein: "Den ganzen Abend Smalltalk? Dafür ist mir meine Zeit zu schade."

© SZ vom 18.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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