Schulpolitik im Wahlkampf:Zum Schrecken von Schülern und Eltern

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Kaum steht irgendwo eine Landtagswahl an, stellen die Parteien das jeweilige Schulsystem in Frage. Gibt es einen Regierungswechsel, müssen Schüler und Lehrer in Deckung gehen.

Tanjev Schultz

Landtagswahlen sind für die Parteien das, was der Pisa-Test fürs Bildungssystem ist. Die Wahlkämpfe sind zwar überlagert von den großen Krisen dieser Welt. Aber kaum ein anderes Thema fällt so klar in die Kompetenz der Länder wie die Schulpolitik. Die kommenden Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz könnten zu wichtigen Änderungen im Schulsystem führen. Für die Bürger ist eine Entscheidung allerdings nicht leicht zu treffen.

Alles auf Neustart? Im Landtagswahlkampf zweifeln plötzlich alle das gültige Schulsystem an. (Foto: ddp)

Alle Parteien geben sich mittlerweile Mühe, in der Bildungspolitik zu glänzen - und sei es nur rhetorisch. Tendenziell versprechen alle kleinere Klassen und schönere Schulen. Als Wähler hat man nun zwei Übel vor Augen: Entweder bleibt eine Landesregierung im Amt; dann folgt zu Vieles dem alten Trott. Oder die Regierung wechselt; dann müssen Schüler und Lehrer in Deckung gehen vor dem Orkan, den übereifrige Reformer entfachen. Die Schulen aber brauchen Ruhe vor unausgereiften Reformen.

Verlöre die CDU in Baden-Württemberg, könnten sich SPD und Grüne an einer grundlegenden Reform der Schulstruktur versuchen. Die Gefahr, dass sie sich daran verheben, ist groß. Dem steht allerdings die nicht minder große Gefahr gegenüber, dass eine weiterregierende CDU den Aufbruch in ein flexibleres und gerechteres Schulsystem noch ein paar Jahre vertrödelt. Mit Schulpolitik kann man eine Wahl nicht gewinnen, sondern nur verlieren, lautet eine verbreitete Klage unter Politikern. Sie stimmt jedoch auch für die Bürger: Wen sie auch wählen - zu gewinnen gibt es hier wenig.

Viele Pädagogen wären froh, wenn sich die Parteien endlich auf ein bundesweites Schulmodell einigen würden. Doch der Sinn einer Wahl liegt eben darin, dass es Alternativen gibt, und deshalb kommt so leicht kein Schulfriede zustande. In Sachsen-Anhalt trieb die Schulpolitik die schwarz-rote Koalition fast auseinander. Die SPD würde gerne Gemeinschaftsschulen durchsetzen, in denen die Kinder länger zusammen lernen. Die CDU wettert wie üblich gegen "Einheitsschulen". Dieser uralte Konflikt bricht in allen Ländern immer wieder auf, obwohl längst die Zeit für einen parteiübergreifenden Kompromiss gekommen sein müsste. Denn fast überall geht die Zahl der Schüler stark zurück. Das zwingt die Schulen dazu, stärker zu kooperieren und alle Abschlüsse zu ermöglichen.

Taktisches Lavieren

Die Parteien handeln aber weiter taktisch, wie man im Saarland beobachten kann. Dort will die Jamaika-Koalition Gemeinschaftsschulen einführen. Eigentlich müsste die SPD auch dafür sein, zumindest wenn sie ihr Programm ernst nähme. Statt dessen spielt sie stur Opposition und mosert herum an Details. In Rheinland-Pfalz dagegen agiert die SPD als Regierungspartei recht besonnen. Mit der Existenz von Gymnasien hat sie sich arrangiert und Fehler wie eine überstürzte Einführung des G8 vermieden.

Vielfältig ist auch das Bild, das die Union abgibt. In einigen Ländern macht sie genau das, wovor sie in anderen warnt. In Niedersachsen fusioniert sie Haupt- und Realschulen - bisher undenkbar in Bayern. Im Saarland billigt sie Gemeinschaftsschulen - undenkbar in Baden-Württemberg.

Vielfalt als Ärgernis

Diese föderale Vielfalt könnte etwas Gutes sein. Bei den Schulen aber wird sie schnell zum Ärgernis. Kaum ein Bürger blickt mehr durch, welches Land welches System hat. Einige Länder haben sich jetzt zusammengetan, um ein gemeinsames Zentralabitur zu planen. Was gut klingt, ändert in Wahrheit wenig, so lange nicht alle mitmachen und sich nicht auf gleiche Lehrpläne und Schulstrukturen verständigen.

Vor kurzem haben Berater der Kanzlerin ein Gutachten überreicht, in dem sie den Föderalismus scharf kritisieren. Die Runde der Kultusminister sei zu ineffektiv, nötig sei eine "weniger blockadeanfällige" Politik. Viele Wähler würden sich das auch wünschen. Leider gibt es keinen Stimmzettel, auf dem sie dafür ein Kreuz machen könnten.

© SZ vom 22.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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