Prüfungsgutachten an der Universität:Geschrieben, um verheimlicht zu werden

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Odyssee durch die Hochschulbürokratie: Wer bei seiner ehemaligen Universität Einsicht in die eigenen Prüfungsgutachten beantragt, braucht Beharrlichkeit. Ob das, was die Professoren einst über einen geschrieben haben, auch gelesen werden darf, entscheiden Universitäten manchmal nahezu wilkürlich.

Rudolf Neumaier

Der erste Brief an das Universitätsarchiv bleibt unbeantwortet. Vier Monate lang. Dabei ist die Sache ganz einfach: Es geht darum, die eigenen alten Prüfungsunterlagen einzusehen. Die Magisterprüfung liegt inzwischen zwölf Jahre zurück, nun steht die nächste akademische Prüfung bevor. Da interessiert einen schon, was die Professoren damals von einem hielten.

Nicht jede Universität gewährt ehemaligen Studenten Einsicht in ihre Prüfungsunterlagen. (Foto: dpa)

Es geht also ein Brief ans Archiv der Uni Regensburg mit der Bitte um Einsichtnahme der alten Gutachten und der Prüfungsprotokolle; und, mein Gott, was gibt man in der Eile als Zweck an: Vervollständigung des Privatarchivs. Erst auf ein zweites Schreiben hin dann die Antwort: geht nicht.

Geht nicht? Es soll also nicht möglich sein, die eigenen Prüfungsunterlagen zu studieren? Stichproben bei den Archiven anderer deutscher Hochschulen ergeben, dass die meisten kein Problem damit haben: "Schicken Sie uns Ihre Daten und wann Sie Zeit haben, dann machen wir einen Termin", heißt es dann - noch bevor der Zweck der Einsichtnahme ausgesprochen ist. Es kommt aber auch vor, dass Sachbearbeiter wie das Regensburger Archiv antworten: geht nicht. Sie berufen sich auf Prüfungsordnungen.

Darauf hat die Uni Regensburg auf den vierten Brief hin auch verwiesen - der dritte war wieder unbeantwortet geblieben. Laut Magisterprüfungsordnung sei eine Einsichtnahme in den Prüfungsakt, wenn das "innerhalb eines Monats nach Aushändigung des Prüfungszeugnisses" beantragt werde. Diese Frist sei abgelaufen. Solche Regelungen sind an den Universitäten üblich. Die zuständigen Dekanate und Prüfungsämter ersparen sich dadurch die Arbeit, die Akten zu suchen und die Einsichtnahme zu beaufsichtigen. Manche Fakultäten bieten nach Prüfungen Sammeltermine zur Einsichtnahme an. Erst nach einigen Jahren wandern die Unterlagen in der Regel in die Archive der Universitäten.

Wer zum Sammeltermin verhindert ist, hat Pech gehabt. Oder er klagt. Die Aussicht auf Erfolg dürfte nicht gering sein. Wenn sich Hochschulen wie die Uni Regensburg auf die Verbindlichkeit von "bereichsspezifischen Rechtsvorschriften" berufen, lässt sich denen das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) entgegenhalten, das solche Rechtsvorschriften übertrumpft. Dort steht: "Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist."

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Dann kann die Uni allenfalls einwenden, dass sie laut VwVfG zum Gestatten der Akteneinsicht nicht verpflichtet sei, "soweit durch sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt" ist - wenn also der Aufwand die Kapazitäten einer Fakultätsverwaltung sprengt.

Die Einsichtnahme lohnt sich

Die Einsichtnahme der Prüfungsunterlagen lohnt sich auf jeden Fall, freilich vor allem innerhalb der Fristen, in denen Widerspruch gegen die Bewertung erhoben werden kann. Dies lehrt der Fall eines Anwalts aus Eching bei München, der mit seiner Bewertung unzufrieden war. Unter Aufsicht eines Justizbeamten schrieb er bei der Einsichtnahme seine Klausuren der juristischen Staatsprüfung sowie die Bemerkungen der Prüfer akribisch ab und korrigierte mit diesem Material die Prüfer. Der Kampf um eine bessere Benotung endete mit Erfolg. Die Prüfer mussten die Klausuren neu bewerten. Damit mussten die Rechtsgelehrten einen rechtswidrigen Verwaltungsakt, den ihre unrichtigen Korrekturen darstellten, zurücknehmen.

Bei Archiven stellt sich die Frage nach Fristen nicht, denn sie sind dafür da, Archivalien bereitzustellen. Der Regensburger Archivleiter teilte im ersten Brief mit, der Akt stehe "in erster Linie für verwaltungsinterne Belange zur Verfügung". In der hauseigenen Archivordnung heißt es aber, das Archivgut könne "benützt werden, soweit ein berechtigtes Interesse" glaubhaft gemacht werde und keine Schutzrechte Dritter entgegenstünden. Der Archivleiter glaubte, die Rechte von Professoren schützen zu müssen, die Prüfungsprotokolle und Gutachten erstellt hatten.

Genießen also Hochschullehrer als Beamte mehr Rechte als Sachbearbeiter anderer Behörden, deren amtliche Stellungnahmen in Verwaltungsvorgängen durchaus in Archiven eingesehen werden können? Oder ist nicht der Prüfling selbst die einzige schutzwürdige Person?

Die Uni überlegt es sich anders

Elf Monate später - die Korrespondenz mit der Universität Regensburg ist inzwischen um einige Briefe angewachsen - teilt die Hochschulverwaltung mit: geht doch. Man habe sich noch einmal eingehend mit dem Antrag befasst und man könne nun eine Einsichtnahme in die Prüfungsunterlagen gewähren.

© SZ vom 08.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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