Pisa-Studie:Deutsche Schüler holen auf

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Bemühungen um bessere Leistungen zeigen vor allem in den neuen Ländern Erfolg.

Von Gunnar Herrmann und Tanjev Schultz

Die Bemühungen um bessere Leistungen deutscher Schüler nach dem Schock der Pisa-Erhebung aus dem Jahr 2000 zeigen erste Erfolge. Der zweite nationale Bildungsvergleich ergab Fortschritte in allen Bundesländern, besonders in Ostdeutschland. Bayern ist wieder Spitzenreiter bei den Tests unter 15-jährigen Schülern. Sachsen schaffte mit Platz zwei den Sprung in die internationale Führungsgruppe. Die größten Leistungssteigerungen verzeichnet Sachsen-Anhalt. Schlusslicht des Vergleichs ist erneut Bremen. Die Ergebnisse fachten die Debatte über das gegliederte Schulsystem in Deutschland wieder an.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Johanna Wanka (CDU) aus Brandenburg, sprach bei der Vorstellung der Untersuchungsergebnisse in Berlin von einer "positiven Bewegung" im deutschen Bildungssystem. Die Kultusminister wollen nach den Worten der KMK-Vizepräsidentin Doris Ahnen (SPD) ihren Reformkurs fortsetzen. "Wir haben das Gefühl, dass sich unsere Anstrengungen lohnen", sagte Ahnen, Ministerin in Rheinland-Pfalz. Es gebe aber noch viel zu tun. So müsse jedes Kind unabhängig von der sozialen Herkunft die Chance auf Bildungserfolg haben. Die baden-württembergische Ministerin Annette Schavan (CDU), die auch KMK-Vizepräsidentin ist, würdigte die Erfolge in Ostdeutschland. Die Ost-West-Schere gehe "nicht weiter auseinander".

Der deutsche Pisa-Koordinator Manfred Prenzel sagte, die Studie belege "substanzielle Veränderungen" im deutschen Bildungssystem. Allerdings gebe es noch große Probleme bei der Förderung schwächerer Schüler. Prenzel betonte, dass die Ergebnisse noch unvollständig seien. Unter anderem fehle eine genaue Untersuchung über den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungschancen. Das Ergebnis des Vergleichs sollte ursprünglich erst im Herbst vorgelegt werden. Wegen der möglichen Bundestagswahl im September zogen die Kultusminister die Veröffentlichung vor und präsentierten ein Teilergebnis. Einen ausführlichen Bericht wollen sie im November vorlegen.

Für den Schulvergleich hatten die Wissenschaftler im Jahr 2003 insgesamt 44.580 Schüler aus 1487 Schulen in den Bereichen Mathematik, Lesen, Naturwissenschaften und Problemlösung getestet. Bayern belegte in allen vier Bereichen den ersten Platz, Bremen überall den letzten. Untersucht wurden auch Veränderungen seit der ersten nationalen Pisa-Studie. Die stärksten Verbesserungen gab es in Sachsen-Anhalt. Auch in anderen ostdeutschen Ländern liegen die Leistungssteigerungen meist deutlich über dem gesamtdeutschen Durchschnitt. Verbessern konnten sich alle Bundesländer, lediglich Nordrhein-Westfalens Schüler schnitten im Bereich Lesen etwas schlechter ab als drei Jahre zuvor.

Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sagte, Bildung habe an Wertschätzung in Deutschland gewonnen. Die so genannte Risikogruppe, also die Gruppe leistungsschwacher Schüler, sei aber mit etwa 23 Prozent unverändert hoch und liege viel höher als in vergleichbaren Staaten. "Die Vernachlässigung schwächerer Kinder an unseren Schulen können wir uns nicht länger leisten." Sie forderte, dass jedes Kind die deutsche Sprache können müsse, wenn es eingeschult werde. Zudem sprach sich Bulmahn für eine größere Durchlässigkeit zwischen den Schulformen aus.

Der Vergleich löste umgehend eine neue Debatte über das gegliederte deutsche Schulsystem aus. Bulmahn sagte: "Wir müssen uns fragen, ob die frühe Auslese von zehnjährigen Kindern nach der vierten Klasse der richtige Weg ist." Schavan meinte dagegen, niemand könne nach den nun vorgelegten Ergebnissen an der Zukunftsfähigkeit des dreigliedrigen Systems zweifeln. Die Lehrergewerkschaft GEW erklärte, für selbstgefälliges Schulterklopfen der Pisa-Sieger gebe es keinen Grund. Auch die Klassenbesten hätten das Hauptproblem des Schulwesens nicht gelöst. Bildung sei in keinem anderen Land derart stark vom Geldbeutel der Eltern abhängig wie in Deutschland.

© SZ vom 15.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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