Obst in der Schule:Und ewig lockt der Apfel

Lesezeit: 1 min

Einmal durch alle Instanzen der Bürokratie: Deutsche Schulkinder sollen frisches Obst und Gemüse bekommen - und stürzen die Politik damit beinahe in eine Krise.

Bernd Dörries

Es ist ein weiter Weg von der Idee bis zum Apfel. Vor eineinhalb Jahren machte die EU den Vorschlag, man könne doch die Kinder in den Schulen mit frischem Obst und Gemüse versorgen. Am kommenden Montag werden die ersten Bananen und Karotten in Baden-Württemberg an die Schüler verteilt. Die wenigsten von ihnen wissen wahrscheinlich, welche Probleme es davor zu bewältigen gab.

Durch alle Instanzen der Bürokratie: Bis das Obst in die Schule kommt, hat es einen langen Weg hinter sich. (Foto: Foto: ddp)

"Unverhältnismäßiger Aufwand"

Die EU-Kommission hatte die Idee, allen EU-Staaten 90 Millionen Euro zu geben, damit sie Obst in die Schule bringen können - noch einmal den gleichen Betrag sollen die Länder zuschießen. Es folgte der Brüsseler Beschluss und die "Bestimmungen zur Umsetzung der Ratsverordnung". Und ohne eine "Sachverständigengruppe für technische Beratung" konnte man das Programm keinesfalls anlaufen lassen.

Das musste in Deutschland in den Bundestag, dann in den Bundesrat, wo es wieder Streit gab, weshalb der Vermittlungsausschuss eingeschaltet werden musste. Danach ist das Schulobst nun wieder Ländersache. Neun der 16 Bundesländer haben ihre Teilnahme abgesagt, das Ganze sei ein "unverhältnismäßiger bürokratischer Aufwand", hieß es aus Niedersachsen.

Fragebogen vorher und nachher

In anderen Bundesländern kommt die Bürokratie nun so langsam voran. In Baden-Württemberg müssen neue Planstellen für die Verwaltung des Programms geschaffen werden. Knapp zehn Obst- und Gemüsehändler haben sich bisher angemeldet, die zu offiziellen Lieferanten erkoren wurden. Die Schüler, die mitmachen wollen, müssen vor dem regelmäßigem Verzehr von Obst einen Fragebogen ausfüllen und später noch einmal einen, damit die Fachleute sehen können, wie sich die Essgewohnheiten verändert haben.

Allein damit sind schon ein paar Referenten beschäftigt. Baden-Württemberg bekommt in diesem Schuljahr zwei Millionen Euro von der EU, die gleiche Summe soll durch Sponsoren hereinkommen. Dadurch könnten etwa 400.000 Schüler mehrmals pro Woche frisches Obst bekommen. Allerdings muss das Land dafür auch 400.000 Euro Verwaltungskosten ausgeben.

Mehr Aufwand als Nutzen

"Der Aufwand steht in keinem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen", sagte Manfred Stehle von Städtetag. Friedlinde Gurr-Hirsch, die Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium findet, dass es sich Baden-Württemberg als "führendes Obst- und Gemüseland" nicht leisten könne, auf das Geld zu verzichten. Es solle versucht werden, viel Obst aus heimischer Produktion zu verteilen.

© SZ vom 16.02.2010/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: