Lexikon für die Jobsuche:Deutsch Bewerber - Deutsch Personaler

Lesezeit: 6 min

Was Bewerber verstehen, wenn Personal-Entscheider sprechen. Eine Übersetzunghilfe von A bis Z.

Nicola Holzapfel

Absage

(Foto: N/A)

Der Bewerber erinnert sich an den Ratgeber, den er gelesen hat. Darin steht, er solle im Fall einer Absage anrufen und fragen, warum man ihn nicht einstellen will. Er greift zum Hörer.

Der Personalverantwortliche fällt aus allen Wolken. Er weiß nicht, wen er am Telefon hat: 100 Bewerbungen sind auf die Stelle eingegangen. Er verflucht die Tipps der Ratgeber-Literatur (siehe: R).

Berufserfahrung

Für den Personalverantwortlichen: Einstellungsvoraussetzung. Kaum eine Stelle richtet sich direkt an Absolventen. (siehe auch: Q).

Für den Bewerber, vor allem wenn er direkt von der Uni kommt: unerreichbare Eintrittskarte. Anlass in die Praktikumschleife zu geraten.

Chemie

Für den Personalverantwortlichen: Keine messbare Größe. Wofür hätte er sonst sein Bewerbungsverfahren standardisiert?

Für den Bewerber: Die entscheidende Frage. Wie schafft er es, die Bewerberrolle perfekt zu erfüllen, trotzdem er selbst zu bleiben und sympathisch zu wirken?

Dresscode

Für den Personalverantwortlichen: Eine Selbstverständlichkeit. Er trägt jeden Tag einen Anzug. Darüber denkt er gar nicht nach, bis - ihm ein Bewerber in Shorts gegenüber sitzt.

Für den Bewerber: Auslöser größter Unsicherheit, sobald die Einladung zum Vorstellungsgespräch eingegangen ist. Welche Kleidung wird in der Firma wohl getragen? Sind Jeans o.k.? Wie bindet man eine Krawatte?

Zu Beginn einer Bewerberkarriere mitunter der Anlass zum ersten Mal im Leben einen Anzug zu erstehen. (Nur um danach womöglich sehr unangenehm berührt zwischen lauter Jeansträgern zu stehen.)

Eis-Schreiben

Der Bewerber erhält einen netten Brief. Darin steht, was für ein toller Hecht er ist und wie sehr das Unternehmen an ihm interessiert ist. Nur leider: Zurzeit kann man ihm keine Stelle anbieten. Aber später einmal wird man sich melden. Bestimmt!

Der Personalverantwortliche meint: Der Job ist nichts für dich, aber zum Absagen bist du uns zu schade. Lass uns gegenseitig in guter Erinnerung behalten!

Der Bewerber meint: "Hey, das ist keine Absage. Ich bin gut!" Wochen-, monatelang denkt er immer wieder an dieses nette Unternehmen, in das er so gut hineinpassen würde. Aber er hört nie wieder etwas, auch die Unterlagen kommen nie mehr zu ihm zurück.

Foto

Für den Personalverantwortlichen: Gehört nun mal zur Bewerbung dazu. Entfaltet aber sofort Wirkung (siehe C): Der Bewerber wirkt sympathisch oder eben nicht.

Für den Bewerber: Unnötig. In anderen Ländern wird doch auch kein Foto mitgeschickt. Was hat denn das Aussehen mit der Qualifikation zu tun? Hin und wieder: Aus-Kriterium, weil der Schnappschuss aus dem Urlaub wiederverwertet oder das Foto auf Empfehlung mancher Ratgeber-Autoren (siehe R) viel zu groß eine ganze Din-A-4-Seite dominiert.

Gehaltsvorstellungen

Für den Personalverantwortlichen: Ein leichter Test und gefundenes Aus-Kriterium: Liegt der Bewerber voll daneben, ist er aus dem Rennen.

Für den Bewerber: Ein Gräuel und Anlass, sich durch sämtliche Gehaltsstudien zu lesen, die er im Internet finden kann. Häufig der Grund für eine erste Beziehungskrise mit seinen Ratgeber-Autoren, die sich in diesem Punkt widersprechen. Mal soll er eine Zahl nennen, mal eine Spanne.

High-Potentials

(Foto: N/A)

Für den Personalverantwortlichen: Die Crème de la Crème der Bewerber, die Elite um die es zu kämpfen lohnt. Für sie werden Talentmessen auf Schlössern und Schifffahrten in der Ägäis ausgerichtet. Mancher Arbeitgeber lässt eine Stelle lieber unbesetzt statt jemanden einzustellen, der nicht alle High-Potential-Kriterien erfüllt (1,0-Abi, Summa-cum-laude-Diplom, berufserfahren, auslandserfahren, sozial kompetent und engagiert, unter 23.)

Für den (gewöhnlichen) Bewerber: Der pure Hohn und Ausdruck der übertriebenen Anforderungen der Unternehmen. Häufig Grund für Verzweiflung: Warum darf er niemandem beweisen, dass auch in ihm ein High-Potential steckt?

(Für den Elite-Bewerber ist der Ausdruck nicht einmal eine Streicheleinheit fürs Ego. Er weiß, was er wert ist.)

Initiativbewerbung

Für den Personalverantwortlichen: Anlass zu resigniertem Kopfschütteln. Auf seinem Tisch stapeln sich Wäschekörbe von Initiativ-Bewerbungen. Wohin nur damit?

Für den Bewerber: Häufig ein Akt der Verzweiflung. Zuvor hat er schon erfolglos auf zig Stellenangebote geantwortet. Also nimmt er sich ein Herz und klopft ungefragt bei Arbeitgebern an. Seine Hoffnung: Vielleicht ist ihm so die lästige Konkurrenz nicht im Weg und vielleicht klopft er ja zur richtigen Zeit an der richtigen Tür.

Job

Für den Personalverantwortlichen: eine Selbstverständlichkeit. Er hat einen.

Für den Bewerber ohne: sein Ein und Alles. Um ihn dreht sich sein ganzes Tun und Streben.

Kreativität

In der Stellenanzeige steht "Wir suchen einen kreativen Mitarbeiter" oder "Wir bieten eine kreative Umgebung".

Der Personalverantwortliche meint: "Bei uns herrscht keine Neun- bis Fünf-Uhr-Mentalität. Wir Kreativen arbeiten auch gerne spät und haben nichts gegen Überstunden."

Der Bewerber meint: "Jetzt soll ich zur Höchstform auflaufen." An Ideen mangelt es ihm nicht: Er verfasst ein ganz besonderes Anschreiben, handschriftlich und in Form eines Kreises. Oder er zerschneidet seine Bewerbung und schickt sie als Puzzle los mit der Aufforderung: "Bauen Sie sich Ihren Mitarbeiter!"

Lücke

Für den Personalverantwortlichen: Grund für Irritation: Wieso hat der Bewerber eine Lücke im Lebenslauf. Ist er etwa nicht zielstrebig?!

Für den Bewerber: In der Vergangenheit eine Auszeit, in der er nichts oder etwas anderes gemacht hat oder sich selbst gefunden hat. In der Gegenwart: Grund für Rechtfertigungsversuche.

Mogelpackung

Für den Personalverantwortlichen: Eine Schreckensvorstellung und Grund, einen Mitarbeiter sofort zu feuern.

Für den Bewerber: Der Versuch, mit kleinen Lügen seinen Lebenslauf aufzuwerten.

Noten

Für den Personalverantwortlichen: ein wichtiger Anhaltspunkt, ob der Bewerber zum Mitarbeiter taugt. Häufig wird sogar die Abiturnote studiert. Am wichtigsten: Die versteckten Noten in Arbeitszeugnissen

Für den Bewerber: Eine Last der Vergangenheit, die er nur dann wieder gut machen kann, wenn ihn das Unternehmen einstellt.

Online-Bewerbungsformulare

Für den Personalverantwortlichen: Zeitsparende Möglichkeit, zwischen geeigneten und überflüssigen Bewerbern zu selektieren.

Für den Bewerber: Äußerst zeitaufwendige Bewerbungsform, die für jedes Unternehmen neu und anders ausgefüllt werden muss.

Profil

Für den Personalverantwortlichen: Die lange Liste der Anforderungen, die der Bewerber zu erfüllen hat.

Für den Bewerber: Eine Strichliste. Zu Beginn seiner Bewerber-Karriere bewirbt er sich auf alle Stellen, in denen er mehr Punkte erfüllen kann als er nicht erfüllen kann. Im Laufe seiner Bewerber-Karriere lernt er, Punkte zu gewichten. Fortan wird er sich etwa auf Profile, die den Ausdruck "Junger Mitarbeiter "enthalten nicht mehr bewerben, wenn er älter als 30 ist - selbst wenn er alle anderen Anforderungen erfüllt.

Quereinstieg

Für den Personalverantwortlichen: Ein Fremdwort. In Deutschland wird von Bewerbern erwartet, dass sie genau in dem Bereich Berufserfahrung haben, für den sie eingestellt werden sollen.

Für den Bewerber: Chance, sich weiterzuentwickeln, die ihm hartnäckig verwehrt wird.

Ratgeber

Für den Personalverantwortlichen: Der Feind. Ist doch die Ratgeber-Literatur schuld an den seltsamsten Bewerbungs-Auswüchsen, unter denen nur die Empfänger in den Personalbüros zu leiden haben. Ratgeber empfehlen, jedes Blatt in eine Din-A-4-Folie zu stecken, bei einer Absage anzurufen (siehe A), übertriebene Fotos (siehe F) zu schicken.

Für den Bewerber: Der gute Onkel, dem er sein volles Vertrauen entgegenbringt, damit er ihn sicher durch den undurchsichtigen Dschungel der Bewerbungsstandards führt. (Bei Konsultation mehrerer Onkels kann es allerdings zu tiefen Vertrauensbrüchen kommen. Dasselbe ist nach einigen Absagen zu befürchten.)

Stärken/Schwächen

Im Vorstellungsgespräch wird der Bewerber gebeten, seine Stärken und Schwächen zu benennen.

Der Personalverantwortliche denkt: Natürlich ist die Frage abgedroschen. Aber mal sehen, ob er sich darüber schon Gedanken gemacht hat. (Was er wohl selbst sagen würde? Vielleicht: ,,Ich habe eine Schwäche für gute Bewerber. ")

Der Bewerber denkt: Oh nein. Muss das sein? Dann spult er das ab, was er sich überlegt hat und was der Personalverantwortliche nicht hören will: Karriereförderliche Stärken und Schwächen, die alle irgendwie gut klingen (Ich bin ein Perfektionist. Leider!), aber nichts über den Menschen verraten.

Traum-Job

Für den Personalverantwortlichen: Ein billiger Werbeslogan.

Für den Bewerber: Gruß aus der idealen Welt. In Wirklichkeit will er einen Job, der zu ihm passt und ihm Spaß macht.

USP

Für den Personalverantwortlichen: Das Überzeugende am Bewerber. Sein: Unique Selling Point.

Für den Bewerber: ???????

Veränderung

Für den Personalverantwortlichen: Ein Risiko. Er braucht einen neuen Mitarbeiter. Ob die damit verbundene Veränderung gut ist - der Neue wird es beweisen müssen.

Für den Bewerber: das Ziel. Sie wollen ihren ersten oder einen neuen Job.

Wunschliste

Für den Personalverantwortlichen: Ein Bewerber, der sehr gut qualifiziert ist, perfekt ins Team passt, sich wunderbar entwickelt, gerne sehr viel arbeitet, treu ist und wenig kostet.

Für den Bewerber: Ein Job, der Spaß macht, noch Freiräume lässt und sehr gut bezahlt ist.

X-fach

Für den Personalverantwortlichen: Die Zahl der Bewerber.

Für den Bewerber: Die Zahl seiner Bewerbungen.

Y-Chromosom

Für den Personalverantwortlichen: Eine ganze Reihe Gründe, IHN zu bevorzugen: Er tritt im Bewerbungsprozess häufig nicht nur stärker auf. Er kann auch nicht schwanger werden.

Für den Bewerber: nicht zu ändern. Mann hat es - oder nicht.

Zusage

Der Personalverantwortliche kann ein Häkchen machen. Die Stelle ist besetzt, der Job für ihn erledigt.

Für den Bewerber fängt die Arbeit jetzt erst an.

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