Kirchenmusik-Studium:Den Glauben mit Melodien feiern

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Auch wegen des bevorstehenden Generationenwechsels werden begabte Menschen gebraucht, die hauptberuflich in Gotteshäusern musizieren und mit Chören arbeiten. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Kirchenmusiker haben sehr gute Berufsperspektiven. Während der Ausbildung muss nicht die Orgel die Hauptrolle spielen, man kann auch andere Instrumente wählen.

Von Joachim Göres

Viele Kirchengemeinden zittern jeden Sonntag, dass der Organist gesund bleibt - Ersatz ist angesichts des fehlenden Nachwuchses oft schwer zu organisieren. "Ich habe bis Weihnachten 2017 fast kein Wochenende mehr frei und spiele sonntags bis zu drei Mal. Einige Gemeinden feiern inzwischen abends ihren Gottesdienst, damit sie eine Chance auf einen Organisten haben", sagt Daniel Kunert. Der Inhaber eines Musikaliengeschäfts im niedersächsischen Celle und Betreiber des Portals www.orgel-information.de ist einer von mehreren Zehntausend nebenberuflichen Organisten in Deutschland, viele davon schon im Rentenalter.

Auch bei den hauptamtlichen Kirchenmusikern, die eine Hochschulausbildung absolviert haben, findet in den nächsten Jahren ein Generationswechsel statt. "Für studierte Kirchenmusiker bestehen außerordentlich gute Berufsperspektiven. Seit einigen Jahren ist es bundesweit schwierig, feste Stellen zu besetzen - wegen der niedrigen Absolventenzahlen an den Musikhochschulen", sagt Hans-Joachim Rolf, Landesmusikdirektor der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover.

Derzeit studieren bundesweit circa 750 junge Menschen das Fach Kirchenmusik. An der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover spricht man von einem wachsenden Interesse in den vergangenen Jahren. Aktuell sind alle 30 Studienplätze belegt - unter den Studierenden finden sich mehr Frauen als Männer. Die Abiturnote spielt bei der Bewerbung keine Rolle, wohl aber das Abschneiden bei der Aufnahmeprüfung. Das Bachelor-Studium dauert acht Semester. Zu den Inhalten gehören unter anderem die Gemeindebegleitung und Improvisation an der Orgel, die Leitung von Chören und Orchestern sowie Gesang und Gregorianik. Mehr als die Hälfte der Absolventen setzt das Studium mit dem viersemestrigen Master Kirchenmusik fort. Die Zahl der Abbrecher ist sehr gering. "Wir bilden Menschen aus, die gut Orgel spielen, Chöre unterschiedlicher Arten und Stilrichtungen leiten können, die gut und gerne mit Gruppen arbeiten wollen, die auch Orgel oder Klavier unterrichten können", sagt Emmanuel Le Divellec, Professor für Orgel und Studiengangssprecher an der Musikhochschule Hannover.

Bislang steht bundesweit die Orgel im Bachelor-Studium der Kirchenmusik im Mittelpunkt. Doch es gibt auch Ausnahmen. An der Hochschule für Kirchenmusik der Evangelischen Landeskirche Württemberg in Tübingen besteht seit einigen Jahren das besondere Profil Popularmusik. Im Master Kirchliche Popularmusik geht es unter anderem um die Leitung von Jazz- und Popchören, die Arbeit mit Bands, den Einsatz von Percussions, das Arrangieren von Liedern, die Studioarbeit. Hauptfach ist hier entweder das Klavier oder der Gesang. "In diesem Jahr haben wir drei Absolventen. Einer leitet bereits fünf Pop- und Gospelchöre in Kirchengemeinden. Immer mehr Gemeinden wünschen sich eine Begleitung auf dem Klavier, auf dem auch eher modernere Stücke gespielt werden können", sagt Patrick Bebelaar, Fachgruppensprecher Popularmusik. Er unterrichtet Fächer wie Bandleitung und Grundlagen der Jazz- und Popularmusik.

Kirchenmusiker bewerten die Inhalte ihres Berufs als positiv, die Aufstiegschancen als negativ

Es gibt in Tübingen auch einen Bachelor-Studiengang mit dem Profil Popularmusik, in dem noch die Orgel Hauptinstrument ist - entsprechend müssen bei der Aufnahmeprüfung Kenntnisse im Orgelspiel nachgewiesen werden, zudem werden das Klavierspiel, das Dirigieren von Chören, der Gesang und das Vom-Blatt-Singen, die Gehörbildung sowie die Musiktheorie geprüft. "Wir haben ein ganz gutes Niveau bei unseren Bewerbern. Etwa zwei Drittel schaffen die Aufnahmeprüfung", sagt Bebelaar. Seine Hochschule will demnächst einen Bachelor-Studiengang mit Gitarre und Klavier/Keyboard als Hauptfach und Orgel als Nebenfach anbieten.

An der Evangelischen Popakademie Witten gibt es einen ähnlichen Bachelor-Studiengang mit Klavier oder Gitarre als Hauptfach. Zu den Fächern des achtsemestrigen Studiums gehören Grooves und Percussions, Bandleitung/Bandpraxis, Tonsatz/Arrangement/Songwriting sowie das Spezialgebiet Tontechnik/Computertechnik/Records/Produktion.

Kirchenmusiker sind mit ihrem Beruf weitgehend zufrieden, klagen aber häufig über zu wenig Zeit und eine zu hohe Belastung mit Verwaltungstätigkeiten - das ist ein Ergebnis einer Umfrage der Universität Hildesheim unter knapp 1200 Kirchenmusikern im vergangenen Jahr. Zu den künstlerischen Haupttätigkeiten gehören die Begleitung der Gemeinde an der Orgel, eigene Orgelkonzerte außerhalb des Gottesdienstes, die Leitung von Kirchenchören und Instrumentalensembles wie zum Beispiel Posaunenchöre. Die Mehrheit leitet Kinder- und Jugendmusikgruppen, häufig in Kooperation mit Schulen. Die befragten Berufsmusiker nennen als Hauptmotivation für ihr Schaffen die Freude am Musizieren und am Ausüben einer künstlerischen Tätigkeit, den eigenen Glauben und die Erfüllung eines Bildungsauftrags. Kritisiert werden die Aufstiegsmöglichkeiten: Für Masterabsolventen sind sogenannte A-Kirchenmusiker-Stellen vorgesehen; tatsächlich haben viele von ihnen aber eine der zahlreicheren und schlechter bezahlten B-Stellen, die für Bachelor-Kirchenmusiker gedacht sind.

Landesmusikdirektor Rolf hofft, dass die heutigen Studenten künftig mehr jungen Menschen Lust aufs Musizieren in der Kirche machen. "Es gibt derzeit nicht wenige Kirchenmusiker, die sich mehr als Künstler denn als Vermittler sehen. Dem einen liegt der Unterricht mehr als dem anderen. Zum Glück spielt die Pädagogik im Studium eine zunehmende Rolle."

Nähere Informationen zum Studium finden sich auf den Webseiten der katholischen Kirche (www.kirchenmusik-studium.de/kirchenmusikstudium) sowie der evangelischen Kirche (www.direktorenkonferenz.org). Mit dem Masterstudium Kirchenmusik befasst sich die Webseite www.master-and-more.de/master-kirchenmusik.html

© SZ vom 09.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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