Job:Was tun, wenn der Chef meine Leistungen nicht würdigt?

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Arno W. macht einen guten Job, findet er selbst. Von seinem Chef bekommt er trotzdem mieses Feedback. Nun bittet er den SZ-Jobcoach um Rat.

SZ-Leser Arno W. fragt:

Im Jahresgespräch bekam ich überwiegend negatives Feedback von meinem Chef. Ich würde dem Zeitplan hinterherhinken, wäre nicht dynamisch genug, müsste mehr Leidenschaft zeigen und so weiter. Das ist sicher nicht komplett aus der Luft gegriffen, ich bin eher introvertiert. Dennoch fühle ich mich ungerecht behandelt: An dem Bauteil, das ich komplett alleine weiterentwickle, hat sich ein erfahrener Kollege vor mir zwei Jahre lang die Zähne ausgebissen, ohne Erfolg. Ich komme relativ frisch von der Uni und habe eine patentierbare Gesamtlösung erarbeitet. Dank Patent sichert das Bauteil der Firma für die nächsten 20 Jahre 100 Millionen Euro Jahresumsatz. Ich muss also zusehen, wie aufgrund meiner Arbeit alle dreieinhalb Tage eine Million über den Tisch wandert, während ich mit einer schlechten Bewertung nach Hause gehe. Muss das sein?

Christine Demmer antwortet:

Lieber Herr W., offenbar sieht Ihr Chef in Ihnen nicht den Goldjungen, für den Sie sich halten. Zwischen Ihrem Eigenbild und seinem Fremdbild klafft eine Lücke, die selbst ein in Aussicht stehender Mehrumsatz von hundert Millionen Euro nicht zu schließen vermag. In Anbetracht der auch für einen Konzern beträchtlichen Dimension frage ich mich, wessen Bild schief ist und gerade gerückt gehört - Ihres oder das Ihres Vorgesetzten?

Falls Sie mit dem Gedanken spielen, die aus Ihrer Sicht ungerechte Behandlung zu eskalieren, sich also beim Chef Ihres Chefs zu beschweren, dann muss ich Sie warnen. Denn der Oberchef wird sich entweder noch vor dem Gespräch mit Ihnen oder gleich danach an Ihren unmittelbaren Vorgesetzen wenden und ihn nach seiner Sicht der Dinge fragen. Etwa so: Wie hoch ist der Anteil des Herrn W. an der Entwicklung? Konnte er auf fertige Teillösungen aufsetzen oder geht das Bauteil allein auf ihn zurück? Hält die Lösung wirklich allen technischen, praktischen, kaufmännischen und ethischen Einwänden Stand?

Nehmen wir einmal an, Ihr Chef versichert daraufhin: "Das Bauteil ist brillant und wird uns unglaublich viel Geld einbringen. Aber ein bisschen mehr brennen fürs Unternehmen könnte der junge Kollege schon." Ich bin sicher, dass er dann seinen Job los ist - zumindest aber das unterdrückte Genie in seinem Team. Das bekommt dann nämlich eine eigene Entwicklungsumgebung, in der es fürderhin Tag für Tag mehr solcher Einfälle produzieren soll.

Das wäre die in Ihren Augen beste Lösung, nicht wahr? Und was ist, wenn Ihr Chef die Sache anders darstellt? "Das Teil ist nicht patentfähig, er will das nicht einsehen, Sie kennen ja diese jungen Hüpfer, die meinen alle, sie müssten das Rad neu erfinden." Was glauben Sie: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Sache so oder so ausgeht? Und wie wahrscheinlich ist es, dass ein junger Ingenieur - im Feuereifer, sein an der Uni erworbenes Wissen unter Beweis zu stellen - ein Bauteil konstruiert, dessen Genialität eine erfahrene Führungskraft nicht zu erkennen vermag?

Selbst wenn Sie felsenfest davon überzeugt sind, technisch einen so großen Wurf gelandet zu haben, dass der die berechtigte Kritik an Ihrem Verhalten weit überstrahlen müsste, dann muss das ein anderer noch lange nicht so sehen. Knabbern Sie darauf mal eine Zeit lang herum. Und dann fechten Sie entweder die Beurteilung Ihres Chefs an oder kommen seinen Vorstellungen ein Stück weit entgegen. Bei Ihrem nächsten Geistesblitz hätten Sie es dann leichter.

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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