Gericht stoppt Verbeamtung eines jungen Lehrers:Demokrat im Namen Allahs?

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Religiös oder radikal? Ein junger Lehrer ist in den Verdacht geraten, islamistischen Organisationen nahezustehen. Die Stadt München beruft sich auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes und verweigert dem Sohn syrisch-deutscher Eltern den Beamtenstatus auf Probe. Der Lehrer klagte nun - ohne Erfolg.

Ekkehard Müller-Jentsch

Die Stadt muss einen muslimischen Lehrer nicht in das Beamtenverhältnis auf Probe übernehmen: Der 30-jährige Pädagoge wird vom Verfassungsschutz verdächtigt, radikalen Islamisten nahezustehen. Das Verwaltungsgericht München hat die Klage des Garchingers abgewiesen.

Die mündliche Verhandlung habe gezeigt, dass der Sohn syrisch-deutscher Eltern "der Ideologie der Muslimbruderschaft und der Islamischen Gemeinde in Deutschland nahesteht", erklärte das Gericht am Donnerstag.

Eine nach außen erkennbare Distanzierung von der gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Ideologie dieser Gruppierungen durch den Kläger hat die Kammer nicht erkennen können", heißt es in der Kurzbegründung. Dieser Eindruck werde auch dadurch unterstrichen, dass der Lehrer radikale Texte - wenn auch wenige - auf seinem Computer gespeichert und in ihrer Diktion radikal gefärbte Texte selbst entworfen habe. Der Lehrer hatte dagegen erklärt, sich nur mit den religiösen Grundlagen der Muslimbruderschaft zu identifizieren. Ein ausführliches Urteil wird es erst in einigen Wochen geben.

"Integrationsfeindliche Entscheidung"

Rechtsanwalt Gerd Tersteegen nennt die Entscheidung "integrationsfeindlich" und "ideologisch". Das Gericht habe ebenso wie die Stadt nur sehen wollen, was seinen Mandanten in ungünstigem Licht erscheinen lasse. Das verstoße gegen die Rechtsprechung, er werde Berufung beantragen.

Angelika Beyerle, Leiterin der Rechtsabteilung im Personal- und Organisationsreferat, meint dagegen: "Der Kläger hat die Zweifel an seiner Verfassungstreue nicht entkräften können." Die Behörde sehe sich durch das Gerichtsurteil "in vollem Umfang" in ihrer Haltung bestätigt.

"Hier wird von unserem Staat versucht, Integration zu boykottieren", hatte Klägeranwalt Tersteegen in der Verhandlung gewettert. Seit den Vorgängen um die Zwickauer Nazi-Terrorzelle glaube er den Verfassungsschützern gar nichts mehr. Im Gegensatz zu deren Behauptungen würden die persönlichen Überzeugungen des Garchingers nicht einmal ansatzweise Anlass zu der Besorgnis geben, dass er die erforderliche Gewähr für die Verfassungstreue nicht biete. Das habe auch seine erfolgreiche Referendarszeit in Ebersberg und Vaterstetten gezeigt.

Die Stadt sieht das anders. Der Lehrer habe als Funktionär der Muslimischen Jugend in Deutschland auch Verbindungen zum Islamischen Zentrum München und der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland. Er vertrete dabei die islamistische Ideologie der Muslimbruderschaft und schule muslimische Jugendliche in diesem Sinne. Im Fragebogen zur Verfassungstreue habe er das verschwiegen. Der Lehrer, der sich dem Gericht als guter Muslim und überzeugter Demokrat darstellte, stritt sein Interesse für die Muslimbrüder auch gar nicht ab. Er zog vielmehr den erstaunlichen Vergleich zur 68er-Bewegung in Deutschland: In den arabischen Ländern seien durch die Muslimbrüder damals gesellschaftliche Prozesse in Gang gesetzt worden - das sei so ähnlich "wie auch die CDU Wertvorstellungen von den 68ern übernommen hat, sonst wäre Frau Merkel heute nicht Kanzlerin", sagte er.

Man könne sich heute nicht mit dem Islam befassen, ohne die Sichtweise von Hassan al-Banna, dem Gründer der Muslimbruderschaft, zu berücksichtigen. "Das hat weder mit Gewalt noch mit Demokratiefeindlichkeit zu tun." Von extremistischen Strömungen und der heutigen Organisation distanziere er sich aber. Auch die genannten islamischen deutschen Organisationen hätten sich weiterentwickelt. Seine Botschaft sei die Integration des Islam in Deutschland, dazu wolle er beitragen. Einige Texte auf seinem Laptop, die vom Staat als islamistisch eingestuft werden, hätten nur der Information gedient: "Die Verfassung ist ein wertvolles Gut - da wollte ich mir ein eigenes Bild über meine Moschee machen, nachdem der Verfassungsschutz auf sie aufmerksam geworden ist."

Der Lehrer bot auch Leumundszeugen auf, wie etwa den Leiter für religiöse Erziehung der Israelitischen Kultusgemeinde München, der den Lehrer als "aufgeschlossen und ehrlich" beschrieb. Oder eine Mitarbeiterin von Pax Christi, die sich ähnlich äußerte. Die Stadt erinnerte aber daran, dass zu den Grundsätzen der Muslimbrüder, von denen der Lehrer sich gerade nicht distanziere, auch "das Töten auf dem Wege Gottes" gehöre.

© SZ vom 13.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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