Führungsspitzen:"Können Sie mal hochkommen?"

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Manchmal kann ein einziger Satz die Welt eines Arbeitnehmers ins Wanken bringen. Wenn der Chef einen Untergebenen zu sich ruft, wird es oft dramatisch.

H. Freiberger

Was gibt es Schlimmeres als einen Anruf vom Chef, der nur aus diesem einen Satz besteht: "Können Sie mal hochkommen?" In dem Satz steckt die ganze Tragödie des Arbeitnehmers: Es gibt da jemanden über mir, und der wird mich jetzt gleich furchtbar zusammenstauchen. Der Weg nach oben, egal ob es nur ein Stockwerk ist oder ob es 23 Stockwerke sind, gehört zu den schwersten im Berufsleben, und das nicht nur im übertragenen Sinn, sondern auch im ganz wörtlichen, dann also, wenn es gilt, Stufe für Stufe zu erklimmen, um schließlich schüchtern an der Tür des Vorgesetzten anzuklopfen.

"Können Sie mal hochkommen?" - Manchmal wird das Treffen mit dem Chef gar nicht so schlimm wie es sich anhört. (Foto: Foto: iStock)

Sobald der Arbeitnehmer am Telefon den Satz hört, gibt es ihm einen Stich ins Herz, das Adrenalin schießt ihm ins Blut. Die vergangenen Minuten, Stunden, Tage, Wochen ziehen an seinem geistigen Auge vorüber. Er prüft die Situationen im Job darauf ab, wo er den Ärger seines Chefs erregt haben könnte.

Welche Projekte habe ich in letzter Zeit betreut? Wie sind die gelaufen und wo lag meine Schuld, wenn sie nicht gelaufen sind? Gab es da neulich nicht den Knatsch mit der Kollegin vom Controlling, die immer an allem rummäkelt. Womöglich hat sie beim Chef gepetzt. Oder war es jemand von außen, der Lieferant, dem ich angedroht habe, künftig jemand anderen zu nehmen, wenn er nicht pünktlich liefert? Welchen Kunden habe ich verärgert, der sich beschwert haben könnte?

"Habe ich morgen keinen Job mehr?"

Welche Mails habe ich rausgeschickt, bei denen ich den Chef in Kopie gesetzt habe? Was könnte ihm daran nicht gepasst haben? Habe ich an irgendeiner Stelle meine Kompetenzen überschritten, so dass er nun vor anderen dumm dasteht, weil die meinen, er habe seinen Laden nicht im Griff?

Welche Reiseabrechnungen habe ich abgegeben? Habe ich vielleicht ein paar Kilometer mehr reingeschrieben als es wirklich sind von Hamburg nach Hannover? Bin ich in letzter Zeit einmal zu spät gekommen, ist das der Grund, warum er mich nun ermahnen will? Wird es vielleicht gar nicht so schlimm?

Oder wird es grundsätzlich, so nach dem Motto: Mir ist aufgefallen, dass Ihre Leistung in letzter Zeit nachgelassen hat, gibt es dafür irgendwelche Gründe? Oder wird es ganz schlimm? Vielleicht hat es ja gar nichts mit mir selbst zu tun, sondern mit der Lage der Firma und damit indirekt auch wieder mit mir. Hat er von oben ein Sparprogramm diktiert bekommen und muss möglicherweise irgendwelche harte Maßnahmen ergreifen, und das teilt er mir jetzt mit? Habe ich morgen keinen Job mehr?

"Bitte nehmen Sie Platz"

Solche Fragen rattern dem Arbeitnehmer durch den Kopf, bis er die Tür des Chefs erreicht und schüchtern anklopft. Ein Blick in sein Gesicht. Ist er wütend? Ist er verärgert? Schaut er neutral? Er lächelt. Nein, das kann nicht sein. "Bitte nehmen Sie Platz", sagt der Chef freundlich, "ich habe Ihnen eine erfreuliche Mitteilung zu machen. Ich wollte mit Ihnen über Ihre Beförderung reden."

Deshalb ein Rat an alle Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter zu sich rufen: Fügen Sie dem "Können Sie mal hochkommen?" einen zweiten Satz hinzu, der ihn nicht ganz so dramatisch wirken lässt. Zum Beispiel: "Es ist erfreulich für Sie." Oder: "Es ist nichts Schlimmes, es geht um die Marketingaktion im nächsten Frühjahr." Wenn Sie allerdings vorhaben, Ihrem Mitarbeiter Angst einzujagen und ihn zur Schnecke zu machen, dann reicht der eine Satz.

© SZ vom 26.10.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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