SZ-Leserin Lisa B. fragt:
Ich bin Restaurantfachfrau, 31 Jahre, und arbeite als Frühstücksleiterin in einem großen Hotel. Trotz Fachkräftemangels gibt es in der Hotellerie oft nur Zeitverträge. Bei meinem letzten Arbeitgeber wurde ich nach Ende des Zeitvertrags nicht weiterbeschäftigt - das hat mich sehr verunsichert. Bei meinem aktuellen Arbeitgeber steht das Übernahmegespräch im September an. Soll ich mich jetzt schon bei Hotels bewerben, die unbefristete Stellen anbieten? Oder soll ich das Risiko eingehen und abwarten? Einerseits sehne ich mich nach einer Festanstellung, andererseits fürchte ich, dass häufige Wechsel meine Chancen schmälern.
Befristung:Ein fester Job, aber immer wieder arbeitslos
1,7 Millionen Beschäftigte haben befristete Verträge ohne sachlichen Grund. Die SPD will das ändern - doch das Gesetz steckt fest.
Vincent Zeylmans antwortet:
Liebe Frau B., Sie haben recht: In der Gastronomie werden oft Zeitverträge vergeben. Daher ist es dort auch üblich, dass Mitarbeiter häufiger den Arbeitgeber wechseln als etwa in der Industrie. Sie sollten die Tatsache, dass Ihr Lebenslauf etwas bunter aussehen könnte, nicht überbewerten. Im Hotelgewerbe gilt es sogar als Pluspunkt, wenn Sie in verschiedenen Häusern Erfahrungen gesammelt haben. Deshalb sollten Sie die einzelnen Stationen in Ihren Bewerbungsunterlagen und Interviews detailliert darlegen.
Neben den von Ihnen genannten Alternativen gibt es möglicherweise noch einen dritten Weg: Sie könnten bereits vor der Übernahme-Entscheidung das Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber suchen. Dabei ist es wichtig, dass er sich nicht erpresst fühlt. Zeigen Sie Verständnis für die Tatsache, dass ein Unternehmen in diesem Gewerbe nicht allen Mitarbeitern ein unbefristetes Arbeitsverhältnis anbieten kann. Fragen Sie aber, wie die Entscheidung in Ihrer Angelegenheit voraussichtlich ausfallen wird.
Dabei sollten Sie betonen, dass Sie die wirtschaftlichen Notwendigkeiten verstehen und selbstverständlich Ihre beste Leistung bis zum letzten Arbeitstag erbringen werden. Verbinden Sie die Frage aber mit dem nachvollziehbaren Wunsch, dass Sie gegebenenfalls früh genug mit der Suche nach einer Anschlussbeschäftigung anfangen möchten. Ihr Arbeitgeber muss dann nicht befürchten, dass Sie ihn vorzeitig verlassen werden. Und es versteht sich von selbst, dass Sie am Ende der vereinbarten Frist eine Perspektive brauchen. Es kann allerdings anders aussehen, wenn Sie planen, schon früher das Haus zu wechseln.
Sollte Ihre vorgesetzte Stelle bei diesem Gespräch wenig Einsicht zeigen, rate ich dazu, rechtzeitig mit dem Bewerben anzufangen. Das kostet Zeit und Energie. Und es kann dazu führen, dass Sie weniger fokussiert Ihrer Arbeit nachgehen können. Dennoch halte ich das für die richtige Entscheidung.
In der Industrie rechnet man mit vier bis sechs Monaten zwischen dem Zeitpunkt der ersten Bewerbung und dem Eintritt in ein neues Angestelltenverhältnis - bei besten Voraussetzungen. Im Gastgewerbe dürfte die Hälfte der Zeit ausreichen. Vorausgesetzt, es gelingt Ihnen, eine gute zweistellige Anzahl von Bewerbungen auf den Weg zu bringen.
Ein Bewerbungsverfahren ist aufwendig. Sie brauchen freie Tage für die Vorstellungsgespräche und müssen möglicherweise einige Reisen einplanen. Wenn die Interviews erfolgreich verlaufen, kommen oft noch Zweit- oder Drittgespräche hinzu. Rechnen Sie diese Zeitspanne ein, bevor Sie mit dem Bewerben beginnen. Idealerweise deckt sich der Zeitpunkt, an dem Sie dann ein Jobangebot erhalten, in etwa mit dem Übernahmegespräch bei Ihrem derzeitigen Arbeitgeber. Sie haben dann immer noch die Gelegenheit, die Rückmeldungen in Bezug auf Ihre anderen Optionen etwas zu schieben. Im Idealfall haben Sie mehrere Alternativen und können sich für die beste entscheiden.
Vincent Zeylmans war lange Abteilungsleiter in internationalen Konzernen und kennt deren Rekrutierungspolitik aus der Praxis. Heute ist er Autor, Karriere-Coach und Outplacement-Berater.