Förderung im Beruf:Wie viel Coach in einem Chef stecken darf

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Wenn der Vorgesetzte zum Karriereberater wird: Mitarbeiter verlangen immer mehr Förderung von ihren Vorgesetzten. Dabei kann es beim Chef durchaus zu einem Interessenkonflikt kommen. Ein Manager hat schließlich auch eigene Ziele im Blick.

Christine Demmer

Früher zitterten Maier die Knie, wenn er zu seinem jährlichen Personalgespräch antreten musste. Heute drückt er sich alle zwei Wochen in der Chefetage herum, um Applaus und Signale des Wohlwollens zu erhaschen. Bleiben die aber aus, droht Maiers Motivationspegel zu sinken. Bei der nächsten Zufriedenheitsumfrage wird er sich mit dem Vorwurf rächen, sein Chef sei ihm nicht Karriere-Coach genug. Dabei sei das doch wirklich seine Aufgabe.

Vier von fünf deutschen Büroangestellten der Geburtsjahrgänge 1980 bis 1990 denken so wie Herr Maier. Das meldet der Personaldienstleister Robert Half International als Ergebnis einer europaweiten Studie und warnt vor grassierender Demotivation der umworbenen Generation Y, also der Nachfolger der Babyboomer-Generation X. Nur die wenigsten Führungskräfte hätten ausreichend Coaching-Qualitäten, um den hohen Ansprüchen der nachwachsenden Leistungsträger zu genügen. Schlimmer noch: Die Enttäuschten zögerten nicht, sondern würden unverzüglich über den Abgang nachdenken.

Das wiederum stellt offenbar viele Vorgesetzte vor ein Dilemma: Pochen sie bei ihren Angestellten auf Leistung, so wie es ihre Jobbeschreibung verlangt, riskieren sie Kündigungen und diesbezüglich wiederum Vorwürfe von der Konzernleitung. Kümmern sie sich jedoch, wie von ihren Mitarbeitern gewünscht, intensiv um deren berufliches Fortkommen, dürften sie die Besten nicht lange für sich behalten, sondern hätten die Verpflichtung, sie für freie Aufstiegspositionen in anderen Abteilungen zu empfehlen. Oftmals müssten sie ihren Mitarbeitern sogar zu einem anderen Arbeitgeber raten, was wiederum keinesfalls im Sinne der Firma sein kann. Wie man es auch betrachtet: An der Bindung von - sich ihres Wertes zunehmend bewussten - Talenten kann so manche Führungskraft durchaus verzweifeln.

Wie viel Coach muss, kann, darf also in einem Vorgesetzten stecken, der in erster Linie für den Beitrag seines Teams am Gesamterfolg des Unternehmens bezahlt wird? In der Wissenschaft wird man sich nicht einig. Für Christoph Beck, Professor für Personalwesen in Koblenz, ist die Sachlage klar: "Führungskräfte sind zwar die obersten Entwickler ihres Personals, aber sie können keine Karrierecoaches sein. Dann müssten sie nämlich ihre Hochleister in fremde Bereiche hinein fördern." Damit aber würden sie ihren eigenen Interessen zuwiderhandeln.

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Die Ludwigshafener Hochschullehrerin Jutta Rump hält dagegen. "Im heutigen Arbeitgeberwettbewerb darf sich ein Manager nicht darauf beschränken, die Rahmenbedingungen zu setzen und anordnen, wer was zu tun hat", sagt die Leiterin des Instituts für Beschäftigung und Employability. Sie begründet: "Je wissensintensiver die Arbeit und je höher das Qualifikationsniveau der Mitarbeiter ist, desto mehr muss die Führungskraft als Sparringspartner wirken." Allerdings gelte das nur im Arbeitsumfeld. Aus privaten Angelegenheiten sollten sich Vorgesetzte nämlich weitgehend heraushalten. Folglich brauchten sie sich auch nicht darum zu kümmern, von welchem beruflichen Erfolg ein Angestellter träumt.

Nun ist es schon nicht für jeden Chef einfach, seinen Führungsaufgaben nachzukommen. Besonders schwierig wird es jedoch, wenn ein Vorgesetzter etwas von einem Mitarbeiter fordern muss, das er in seiner Rolle als Coach vehement abzulehnen hätte - zum Beispiel das Einspringen auf eine Stelle, die er als Chef dringend besetzen muss, die aber den Mitarbeiter bei seinem beruflichen Aufstieg zurückwerfen würde.

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