EU-Kommission zu Praktika:Schluss mit Arbeit zweiter Klasse

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Kein Gehalt, dafür reichlich Überstunden. So sieht der Alltag vieler Praktikanten aus. Das will die EU-Kommission jetzt ändern - sie plant europaweit die Einführung von Mindeststandards für Praktika.

Von Lisa Riesner, Brüssel

Sven Hagels bekommt 900 Euro monatlich, Hannah Wieland bekommt nichts. Beide sind Studenten, beide machen ein Praktikum in Brüssel, beide wollen ihren richtigen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen. Sven geht es besser als Hannah, nicht nur wegen des Geldes. Dass sie leer ausgehen sollte, war der 22-Jährigen von Anfang an klar. Aber nicht, dass die vereinbarten Arbeitszeiten nur auf dem Papier stehen. "Bei mir hieß es von neun bis sechs Uhr, meistens bin ich aber viel länger da", sagt Hannah. An manchen Tagen arbeitet sie bis zehn Uhr abends in ihrer Landesvertretung.

Dass Praktikanten ohne Gehalt, aber mit vielen Überstunden arbeiten müssen, damit soll künftig Schluss ein. Die EU-Kommission will europaweit Mindeststandards durchsetzen.

Ein Gehalt sichern diese Vorgaben zwar nicht. Aber die Arbeitgeber sollen zumindest die Bedingungen, unter denen Praktikanten arbeiten, schon in ihren Jobanzeigen klarstellen. Um zu beweisen, dass mehr Transparenz nötig ist, hat die Kommission Anfang dieses Jahres eine Studie des Eurobarometers in Auftrag gegeben. Hierzu wurden fast 13.000 Europäer zwischen 18 und 35 Jahren befragt. Fast die Hälfte der Praktikanten wusste anhand der Jobausschreibung vorab nicht, wie viel Geld sie später bekommen würden.

Das Elternhaus entscheidet

Sven, 22, arbeitet bei einem Abgeordneten im Parlament, er gehört zu den 40 Prozent der Praktikanten, die bezahlt werden, und wusste das auch vorher. Ohne Gehalt hätte er das Praktikum ablehnen müssen, denn seine Eltern können ihn finanziell nicht unterstützen. Das stützt den Vorwurf, dass Kindern aus einkommensschwachen Familien der Zugang zu guter Bildung und Berufserfahrung erschwert wird.

Hannah war von vornherein bewusst, dass die Landesvertretung sie nicht bezahlen würde. "Ich finde es zwar ungerecht, aber sie können es sich eben nicht leisten, mich zu bezahlen", hat sie Verständnis. "Es ist nur schade, weil ich so meinen Eltern auf der Tasche liege."

László Andor, EU-Kommissar für Arbeit und Soziales, kritisiert seit Langem unfaire Bedingungen für junge Arbeitnehmer. "Es ist inakzeptabel, dass manche Praktikanten als billige Arbeitskraft benutzt werden", sagt Andor und wirbt für Mindestanforderungen. Verpflichtende Informationen über mögliche Bezahlung, Arbeitszeiten und ob die Praktikanten im Fall von Krankheit versichert sind, könnten bald Pflicht sein.

"Alle Praktika sollten bezahlt werden"

Das Rahmenprogramm für Praktika ist eine Initiative der EU aus deren Paket zur Jugendbeschäftigung. Das Vorhaben haben die Staaten vergangenes Jahr auf den Weg gebracht. Der Qualitätsrahmen für Praktika ist nur ein Projekt von vielen, an deren Umsetzung die Gemeinschaft seit einem Jahr arbeitet.

Die Studie beantwortet auch die Frage, warum junge Menschen Praktika absolvieren. Nicht überraschend: Drei Viertel aller Befragten gaben an, sich später bessere Chancen auf einen Job zu erhoffen. Ob in Zukunft mehr Gerechtigkeit in der Praktikantenwelt herrscht, bleibt offen. Der Vorschlag der EU ist nicht verpflichtend.

Dabei wären die Mindeststandards ein guter Anfang, finden Hannah und Sven. "Ich finde den Vorschlag wichtig, aber es ist nicht genug. Alle Praktika sollten bezahlt werden", sagt Sven. Hannah sieht das anders. Für sie ist die Bezahlung nichts, worüber diskutiert werden muss. Nicht, weil für sie Geld keine Rolle spiele, sondern: "Ich hätte mich um ein Stipendium beworben, hätte ich nicht die finanzielle Unterstützung meiner Eltern."

Linktipp: Welche Rechte die "Generation Praktikum" hat.

© SZ vom 11.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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