Ehemalige Abgeordnete im neuen Beruf:"Putzfrau? Um Gottes willen!"

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"Da können Sie noch so viele Weltputzfrauentage veranstalten": Lilo Friedrich, frühere Bundestagsabgeordnete und Inhaberin einer Reinigungsfirma, spricht darüber, was eine gute Putzfrau ausmacht - und beklagt das schlechte Image des Berufs.

Titus Arnu

Lilo Friedrich, 62, war sieben Jahre lang SPD-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Mettmann I. Nach den Wahlen im Jahr 2005 schied sie aus dem Parlament aus und war lange Zeit arbeitslos - bis sie sich entschloss, als Putzfrau neu anzufangen. Die Ex-Politikerin wurde anfangs beschimpft und verspottet. Mittlerweile führt sie eine Putzfirma mit zehn Angestellten in Monheim bei Leverkusen. Ein Fachgespräch aus aktuellem Anlass - an diesem Dienstag ist der "Tag der Putzfrau."

"Mit so einem Hund haben sie dauernd was zu tun": Die frühere Bundestagsabgeordnete und Putzfirmen-Inhaberin Lilo Friedrich wischt Staub in ihrer Monheimer Wohnung - Russel Terrier Anton nimmt es gelassen.  (Foto: dapd)

SZ: Hallo Frau Friedrich, stören wir Sie gerade bei der Hausarbeit?

Friedrich: Nein, kein Problem, ich habe Zeit. Pssst, still jetzt mal!

SZ: Aber wir wollten mit Ihnen über den Weltputzfrauentag sprechen.

Friedrich: Nein, nein. Ich meinte meinen Hund. Ein Jack Russell Terrier.

SZ: Macht der viel Dreck?

Friedrich: Oh ja, das können Sie mir glauben. Wenn Sie ein pingeliger Mensch sind, haben Sie mit so einem Hund dauernd etwas zu tun.

SZ: Und, sind Sie ein pingeliger Mensch?

Friedrich: Bin ich. Als ich mich nach dem Ende meiner Politiker-Laufbahn entschlossen habe, putzen zu gehen, sagten meine Kinder: Na toll, jetzt macht sie auch noch ihr Hobby zum Beruf ...

SZ: ... und Sie wurden Putzfrau. Entschuldigung, darf man eigentlich Putzfrau sagen, oder ist das diskriminierend?

Friedrich: Nein, wieso? Putzen ist eben Putzen. Reinemachefrau klingt ja wohl auch nicht besser!

SZ: Stimmt. Und wie hat Ihre Familie damals die Idee aufgenommen?

Friedrich: Zunächst mal muss ich sagen, das war keine Idee, das war die pure Notwendigkeit. Ich war damals 58, mein Mann war frühpensioniert, wir hatten Kinder und mussten eine Wohnung abbezahlen. Es hakte an allen Ecken und Enden, und auf meine Bewerbungen kamen nur Absagen. Dann verkündete ich der Familie, dass ich mich selbständig mache - als Putzfrau. Da hätten Sie meinen Sohn mal hören sollen! Der war damals 19 und alles andere als begeistert.

SZ: Was hat er gesagt?

Friedrich: Er sagte: 'Ey Alte, das ist der soziale Abstieg!' Ich hätte ein Nagelstudio aufmachen können oder Schuhverkäuferin werden, okay, aber Putzfrau? Um Gottes willen.

SZ: Hat dieser Beruf immer noch so ein schlechtes Image?

Friedrich: Aber hallo! Da können Sie so viele Weltputzfrauentage veranstalten, wie Sie wollen. Mit den Frauen wird oft ziemlich mies umgegangen. Was meinen Sie, wie oft ich beleidigt worden bin in meinem Job.

SZ: Vor ein paar Tagen sorgte eine Putzfrau für Schlagzeilen, die in einem Dortmunder Museum eine Skulptur des Künstlers Martin Kippenberger mit dem Titel "Wenn's anfängt durch die Decke zu tropfen" kaputtputzte ...

Friedrich: Ich habe davon gehört. Über so etwas machen sich natürlich wieder alle lustig, klar. Aber in der Regel üben die meisten Putzfrauen ihren Beruf auf verantwortungsvolle Weise aus.

SZ: Was macht eine gute Putzfrau aus?

Friedrich: Es kommt darauf an, sauber und ordentlich und dazu noch vertrauensvoll zu arbeiten. Sie müssen außerdem Einfühlungsvermögen haben.

SZ: Wieso das?

Friedrich: Als Putzfrau sind Sie immer auch Sozialarbeiterin. Wir putzen viel bei älteren Menschen, für die sind wir oft die einzigen Ansprechpartner. Da geht es nicht nur ums Putzen, es geht um den zwischenmenschlichen Kontakt, um das Helfen insgesamt. Das unterscheidet die private Putzfrau übrigens von der professionellen Reinigungsfirma. Wichtig ist die gegenseitige Achtung. Ich sage meinen Mitarbeiterinnen immer: Wir putzen auf Augenhöhe. Die wollen, dass wir saubermachen, und wir machen sauber. Ohne uns wären die aufgeschmissen!

SZ: Müssen Sie heute noch putzen?

Friedrich: Nein, leider nicht.

SZ: Leider?

Friedrich: Ja, leider. Ich habe immer gerne geputzt. Aber jetzt sind meine Hände kaputt, ich habe Probleme mit dem Rücken. Berufskrankheit. Es ist absurd: Ich muss jemand putzen lassen für mich. Für mich ist es gar nicht so einfach, Kunde zu sein - weil ich eben so pingelig bin. Anfangs stand ich immer daneben. Das geht gar nicht! Jetzt mache ich es meistens so, dass ich mit dem Hund Gassi gehe und erst wiederkomme, wenn alles sauber ist.

© SZ vom 08.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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