Duales Studium:Hörsaal und Werkshalle

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Technik kann sehr wohl "sexy" sein: Die Anbieter des dualen Studiums müssen mancherorts - noch - Überzeugungsarbeit leisten. Doch die Anzahl der Bewerber steigt. (Foto: FH Joanneum)

Allmählich werden auch in Österreich die Freunde und Förderer der zweigleisigen Ausbildung in Betrieb und Hochschule zahlreicher.

Von Christine Demmer

Georg Wagner erklärt seinen Studenten nicht nur im Hörsaal, wie das Thema Industrie 4.0 die Welt verändern wird. Hin und wieder fährt er mit ihnen direkt in die voll automatisierte Zukunft. An einem sonnigen Märzmorgen sitzt der Professor im Bus, zusammen mit 30 Teilnehmern des Studiengangs "Engineering and Production Management" der Grazer Fachhochschule Joanneum. Das Ziel liegt in Scharnhausen nahe Stuttgart. Im Leit- und Vorzeigewerk der Festo AG werden Ventile, Ventilinseln und Elektronik gefertigt - schlank, energieeffizient und komplett vernetzt. Wie gut das gelungen ist, sollten die angehenden Master-Ingenieure beurteilen können. Denn parallel zum Studium arbeiten sie alle schon in mehr oder weniger hochgerüsteten Zukunftsfabriken.

Am Joanneum, mit mehr als 4000 Studenten eine der größten Fachhochschulen in Österreich, gibt es bisher zwei duale Studiengänge. Der 2002 als Diplom-Studium gestartete Studiengang "Produktionstechnik und Organisation" schließt mit dem Bachelor of Science in Engineering ab und war der erste duale Studiengang in Österreich. 2014 kam das duale Masterstudium "Engineering and Production Management" hinzu. Georg Wagner leitet beide Studiengänge, und da die Anzahl der Bewerber vom Start weg die der Studienplätze überstieg, ist er nicht wenig stolz - man spürt es im Gespräch mit ihm. "Das duale Studium kommt an", sagt der Professor, "aber wir müssen uns auch anstrengen; nicht zuletzt deshalb, weil ein technisches Studium a priori nicht so sexy ist." Doch die Grazer kennen ihre Stärken. Momentan arbeiten sie an einem dritten dualen Masterstudiengang im Lebensmittelmanagement.

Angesichts des Riesenerfolgs des dualen Studiums in Deutschland ist es erstaunlich, dass die Fachhochschule Joanneum gerade mal eine von überhaupt nur drei Fachhochschulen in Österreich ist, an denen das mit Betriebspraxis kombinierte technische Studium angeboten wird. In zeitversetzten Phasen lernen die Studierenden mal im Kooperationsunternehmen, mal im Hörsaal und dafür werden sie vom zweiten Jahr an von den Betrieben bezahlt. Was für die Technik der Festo AG gilt, das gilt auch für das Studium: schlank, effizient und komplett vernetzt - ein Prototyp für "Hochschulbildung 4.0". Doch nach wie vor muss Georg Wagner den Betrieben lang und breit darlegen, wie das duale Studium funktioniert. "Auf der Seite der Gesetzgebung findet dieses Thema zu wenig Beachtung", bedauert der Professor. Unermüdlich muss er Überzeugungsarbeit leisten: Fehlinformationen ausräumen, Vorbehalte abbauen, die Vorteile der zweigleisigen Ausbildung darstellen. Wagner: "Wenn wir dieselbe Unterstützung hätten, die man der betrieblichen Lehrlingsausbildung zukommen lässt, würde die Wirtschaft das duale Studium gewiss ähnlich begeistert aufnehmen, wie sie das mit der Lehre macht."

Das Modell setzt Engagement voraus, und die Teilnehmer haben nur wenige Wochen Ferien

Ingo Prepeluh von der Fachhochschulkonferenz sieht sich keines Versäumnisses schuldig. "Alle Fachhochschulen dürfen von Gesetzes wegen duale Studiengänge anbieten", hält er dagegen. "Aber die Struktur der Betriebe ist in Österreich anders als in Deutschland." Die Grazer Fachhochschule Joanneum habe es deutlich schwerer, denn in der Steiermark gebe es fast nur kleine und mittlere Unternehmen. Dies gelte auch für andere österreichische Bundesländer. "Man braucht ein Potenzial an größeren Betrieben, die bereit sind, zeitweise auf ihr Personal zu verzichten", erläutert Prepeluh. Denn die dual Studierenden arbeiten sechs Monate eines Ausbildungsjahres nicht im Betrieb, weil sie in der Uni sind. Solche Betriebe gebe es in Vorarlberg, ergänzt er.

Franz Geiger kennt alle technisch orientierten größeren Betriebe Vorarlbergs, etwa ein Dutzend. Er ist Professor an der Fachhochschule Vorarlberg in Dornbirn und leitet den dualen Studiengang Elektrotechnik. "Wir haben 2014 mit 24 Studienplätzen angefangen und sind mit dem bisherigen Erfolg sehr zufrieden", sagt Geiger. Im ersten Jahr wird nur an der Hochschule studiert, vom zweiten Jahr an wechseln sich Hörsaal und Halle im Drei-Monats-Rhythmus ab. Bis zum Examen bekommen die Studierenden von den Arbeitgebern monatlich 1000 Euro, egal ob sie im Betrieb arbeiten oder an der Fachhochschule studieren. "Der erste Jahrgang ist jetzt in der Betriebspraxisphase", erklärt Geiger, "das ist kein Zuckerschlecken." Die Hochschulen haben weniger Zeit, den Stoff zu vermitteln, weil die Studenten vom zweiten Ausbildungsjahr an sechs Monate im Betrieb verbringen. Deshalb haben die angehenden Ingenieure beim dualen Modell nur fünf Wochen Ferien. Beim klassischen Ingenieurstudium haben die Studenten immerhin mehrere Monate Semesterferien. Doch laut Geiger lohnt sich der Einsatz: "Wer es übersteht, der ist glücklich." Auch die Firmen seien jetzt dabei. Am Anfang hatte der Ingenieurwissenschaftler einen Betrieb in der Region nach dem anderen abgeklappert. "Wir haben jetzt 36 Partner. Im Moment kommen wir damit gut aus", sagt Geiger. "Manche Betriebe nehmen gleich drei oder vier Studierende. Die können dann Lerngruppen bilden und an ihrem zukünftigen Netzwerk bauen."

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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