Biotechnologie:Das kleine Jobwunder

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Laut einer Studie des Bundesforschungsministeriums ist die Zahl der Beschäftigten in der Biotechnologie-Branche um 22 Prozent geklettert. Davon profitieren vor allem vier Regionen.

Kristina Läsker

Mehr als zehn Jahre hat die kleine Münchner Biotechnologiefirma GPC Biotech an ihrem Mittel Satraplatin gegen Prostatakrebs geforscht. Inzwischen ist die Zulassung für den amerikanischen Markt beantragt, und es heißt warten. Wenn alles gut geht, sagt Firmenchef Bernd Seizinger, darf Satraplatin schon ab Mitte August von amerikanischen Onkologen verschrieben werden.

Auch bei der Firma Medigene in der Nachbarstraße wird gewartet, im März hat der Betrieb die Marktzulassung für eine Genitalwarzensalbe bei den Behörden in Deutschland, Österreich und Spanien beantragt.

Gehofft wird auch im Münchner Norden. Die dort ansässige Biotech-firma Idea hat Mitte Mai den Zulassungsantrag für ein neuartiges Schmerzgel für den europäischen Markt eingereicht. Gründer Gregor Cevc will mit dem Gel in vier bis fünf Jahren ,,mehr als eine Milliarde Euro'' pro Jahr verdienen.

Die Firmen gelten als Hoffnungsträger der jungen Biotechnologiebranche, die bislang vor allem Verluste anhäufte. Bisher hat kaum ein Betrieb ein Mittel bis zur Marktreife entwickelt. Dass sich das bald ändern könnte, zeigt eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), die der Süddeutschen Zeitung vorab vorliegt.

Bedeutung als Jobmotor

Neben den drei Präparaten in der Zulassung befinden sich weitere elf potentielle Medikamente in der letzten von drei vorgeschriebenen Testphasen am Menschen. Präparate in einer solchen Phase III schaffen es mit hoher Wahrscheinlichkeit bis in die Arztpraxen.

Das sei ein ,,Indiz für die zunehmende Reife der Branche'', heißt es in der Studie, für die 539 der 551 Biotechnologiefirmen in Deutschland befragt wurden. Die Studie unterscheidet zwischen Betrieben, die sich allein der Biotechnologie widmen (495), sowie Saatgutherstellern, Pharma- und Chemiefirmen (56), die biotechnologische Geschäftsfelder haben.

Mit der zunehmenden Reife der Branche wächst auch ihre Bedeutung als Jobmotor. Als Arbeitgeber haben die Biotechnologiefirmen kräftig an Bedeutung gewonnen: So sei die Zahl der Beschäftigten um 22 Prozent auf 29.000 gestiegen, heißt es in der Studie. Vielfach handelt es sich um hochqualifizierte Arbeitnehmer. ,,Knapp die Hälfte dieser Beschäftigten hat einen Hochschulabschluss'', schreiben die Autoren.

Im Ministerium sorgt das für Begeisterung: ,,Diese Daten zeigen, dass die Biotechnologie insbesondere für hochqualifizierte Akademiker einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigungsentwicklung leisten kann'', sagt der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel (CDU). Die Biotechnologiebranche ist noch jung. Im Schnitt existieren die Firmen erst siebeneinhalb Jahren, knapp die Hälfte der Betriebe beschäftigt nur maximal zehn Mitarbeiter.

Von den neuen Arbeitsplätzen profitieren vier deutsche Regionen: Insbesondere in München, im Gebiet Rhein-Neckar, im Rheinland und im Raum Berlin-Brandenburg gibt es seit einigen Jahren sogenannte Biotechnologie-Cluster. Damit ist die Häufung von Firmen, Universitäten, Geldgebern und forschungsnahen Einrichtungen gemeint, die aufgrund ihrer Nähe besser kooperieren können.

In den Clustern wird viel Geld ausgegeben: Weil die Phase-III-Studien an großen Patientengruppen teuer sind, stiegen die Ausgaben für Forschung- und Entwicklung (FuE) kräftig. Sie kletterten um 36 Prozent auf mehr als 970 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Die Branche ist forschungsintensiv: 77 Prozent der Firmen betreiben laut Studie eigene Forschung. Mehr als 200 Betriebe entwickeln eigene Medikamente, die meisten produzieren wegen der hohen FuE-Kosten aber seit Jahren Verluste.

Der Aufwind der Branche, die nach dem Zusammenbruch der New Economy abgestürzt war, zeigt sich auch in den steigenden Erlösen. Die Umsätze seien 2006 um 14 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro gewachsen und die Anzahl der Firmen stabil geblieben. ,,Die Zahlen belegen, dass die deutschen Biotechnologie-Unternehmen wirtschaftlich nachhaltige Strukturen entwickeln'', sagt Staatssekretär Rachel.

Die meisten forschungsintensiven Betriebe finanzieren sich über Wagniskapital. Die Studie belegt, dass die zuletzt gehegte Vorsicht nachlässt und einige Geldgeber neues Vertrauen fassen: Von Januar bis Mai sind sieben Finanzierungsrunden über 160 Millionen Euro abgeschlossen worden. Schon 2006 hatten die Firmen so viel Geld eingesammelt wie seit sechs Jahren nicht mehr. Das hat das Branchenmagazin Transkript ermittelt. Demnach erhielten die forschungsintensiven Betriebe 2006 etwa 702,5 (Vorjahr: 543,4) Millionen Euro. Dies wurde nur 2000 übertroffen, im Boomjahr der New Economy.

© SZ vom 31.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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