Betriebsklima:Schieflage im Team

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Am Uniklinikum Heidelberg lernen Führungskräfte in speziellen Trainings, wie man einen wertschätzenden Umgang mit der Belegschaft pflegt.

Von Christine Prussky

Das Klinikum der Universität Heidelberg zählt zu den internationalen Top-Standorten. Im weltweiten QS Ranking, das jedes Jahr vom US News & World Report veröffentlicht wird, landete es als beste deutsche Universitätsklinik auf Platz 49. Irmtraut Gürkan ist kaufmännische Direktorin und stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Klinikums. Sie erklärt, wie Uni-Krankenhäuser zu besseren Arbeitgebern werden können.

SZ: Bei den Arbeitszeiten gilt "open end", der Chef entscheidet alles allein - das ist eine Losung, die Sie schon lange für antiquiert erklärt haben. Trotzdem hält sie sich hartnäckig. Was macht den wertschätzenden Umgang miteinander in den Unikliniken so schwer?

Irmtraut Gürkan: Ein solcher Kulturwandel braucht Zeit. Klinikdirektoren werden auf Lebenszeit berufen. Die Kontinuität ist sinnvoll, fordert aber alle Beteiligten immer wieder neu heraus. Forschung, Lehre und Krankenversorgung müssen sich in einem wandelnden Umfeld behaupten, gleichzeitig ändern sich die Bedürfnisse von Patienten und Klinikpersonal. Darauf müssen Führungskräfte reagieren - und zwar auf allen Ebenen. Gerade die jüngere Generation der Klinikchefs ist sich der Aufgabe bewusst. Sie weiß, dass und wie sie Mitarbeiter fördern kann. Herausgefordert sind aber auch wir Vorstände. Wir müssen Führungskräfte im Alltag unterstützen und ihnen Instrumente zur Personalentwicklung an die Hand geben.

Sie haben in Heidelberg vor etwa zehn Jahren spezielle Trainings für Führungskräfte entwickelt. Wie wirkt sich das aus?

Die Angebote sind beliebt, es gibt lange Wartelisten. Für besonders interessant halte ich interprofessionelle Programme. Ärzte, Pfleger und Verwaltungsangestellte kommen hier miteinander in Kontakt und können sich unkompliziert über Anforderungen und Probleme der anderen Berufsgruppen austauschen. Das stärkt das Verständnis und den Teamgeist. Gute Resonanz haben auch die Nachwuchsförderprogramme der Medizinischen Fakultät. Den Wert unserer Programme messen wir an den späteren Karrieren der Teilnehmer. Die Ergebnisse dieser Evaluationen sind eindrucksvoll.

Was halten Sie von dem Vorschlag des Wissenschaftsrats, an Unikliniken sogenannte Profilbereiche mit flachen Hierarchien einzurichten, um die Kliniken als Arbeitgeber für jüngere Talente attraktiver zu machen?

Offen gestanden bin ich hier eher skeptisch. Ich kann nicht erkennen, wie Profilbereiche den Kulturwandel nennenswert voranbringen könnten. Wir brauchen auf allen Ebenen ein klares Bekenntnis zur Nachwuchsförderung, selbst wenn sich aus der Sicht der heutigen Chefs die Vorstellungen und Lebensentwürfe der jungen Wissenschaftler der Generation Y deutlich von ihrem eigenen Leistungsverständnis unterscheiden. Instrumente zur Nachwuchsförderung gibt es schon genug. Sie müssen ganz einfach nur genutzt werden.

Das ist schon alles?

Nicht ganz. Dringend nötig ist ein neues Tarifrecht. Die Gehälter von Ärzten sind deutlich höher als die der Wissenschaftler. Aber auch zwischen den Disziplinen gibt es enorme Unterschiede. Ein hervorragender Anatom verdient nur einen Bruchteil dessen, was Chirurgen oder Radiologen bekommen. Das können wir mit tarifkonformen Leistungszulagen nie ausgleichen, auch wenn wir uns vom Vorstand aus noch so sehr bemühen. Das Problem bleibt virulent. Grandios an der Tarif-Realität gescheitert ist übrigens auch schon der Wissenschaftsrat. Vor einigen Jahren empfahl er, jede Abteilung mit einer Doppelspitze zu besetzen, die aus einem Wissenschaftler und einem Arzt bestehen sollte. Weil der eine viel weniger verdient als der andere, ging das natürlich nicht. Ein Team kommt so niemals zustande. Das Tarifproblem taucht auch bei den Profilbereichen wieder auf - und wird vom Wissenschaftsrat erneut nicht beantwortet. Insofern halte ich den Ansatz für recht theoretisch.

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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