Belästigung am Arbeitsplatz:Mehr Wertschätzung hilft allen

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Gerade in sozialen Berufen sind Beschäftigte von Belästigungen betroffen, heißt es in einer aktuellen Studie der Antidiskriminierungsstelle. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Ein Klaps auf den Po, ein dummer Spruch: Viele Menschen in der Dienstleistungsbranche müssen einiges ertragen. Was sich ändern muss.

Kommentar von Sibylle Haas

Es gibt Berufe, deren Image schlecht ist, die schlecht bezahlt sind und um die sich wenige reißen. Das sind dann oft auch solche Jobs, in denen viele Frauen arbeiten: in der Kranken- und Altenpflege, im Sozialwesen, im Handel, im Erziehungsbereich. Dienstleistungsberufe allesamt, in denen sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen um das Wohlergehen anderer kümmern. Es sind die Branchen, in denen ein Mangel an Fachkräften beklagt wird.

Es ist auffällig, dass gerade in diesen Branchen die Hemmschwelle für sexuelle Übergriffe sehr niedrig ist, wie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in ihrer Studie zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz festgestellt hat. Mehr als die Hälfte der Belästigungen ging in diesen Branchen von Kundinnen und Kunden, von Patientinnen und Patienten, von Klientinnen und Klienten aus.

Übergriffe, ob körperlich oder verbal, ob sexuell oder nicht, sind immer ein Zeichen nicht vorhandener Wertschätzung anderer Menschen. Übergriffe werden von den Betroffenen als erniedrigend, abwertend und auch als bedrohlich empfunden, zeigt die Studie.

Und genau das sollen sie aus Sicht des "Belästigers" ja auch sein. Das Schema ist immer ähnlich. Der Kunde, der die Verkäuferin runterputzt, weil sie ihm nicht schnell genug den Anzug in der richtigen Kleidergröße bringt. Der Patient, welcher der Krankenschwester auf den Po klopft, weil sie sich beim Bettenmachen bücken muss. Der Familienvater, der ausrastet, weil die Lehrerin dem Töchterchen eine schlechte Schulnote verpasst hat.

Sie alle eint rotziges Benehmen und die Haltung: "Dienstleister haben mir zu Diensten zu sein. Sie gehören mir mit Leib und Seele." Es ist ein herrschaftliches Gehabe, wenn sich Kunden, Patienten, Klienten über andere stellen. Wer denkt, etwas Besseres zu sein, dem fehlt der Respekt und die Einsicht, dass der Gesellschaft sehr viel fehlte, wenn es die Dienstleister nicht gäbe. Es ist Zeit, gerade die Berufe mehr anzuerkennen, die anderen zu Diensten sind. Das könnte nicht nur zu einem besseren Umgang und gesellschaftlichen Klima führen, sondern vielleicht sogar auch den Fachkräftemangel lindern.

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