Dienstreisen:Zu dir oder zu mir?

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Geschäftsreisende nehmen viele Unannehmlichkeiten in Kauf: Wartezeiten, Flugausfälle, Zugverspätungen, Nächte im Hotel, Jetlag. (Foto: plainpicture)

Geschäftsleute touren weiterhin um den Globus - trotz Zeitmangels und aller Fortschritte bei der Videotechnik. Warum das noch immer notwendig ist.

Von Martin Scheele

Nehmen wir Thomas Buer. Der 47-Jährige ist einer, den man getrost Topmanager nennen kann. Auf seiner Visitenkarte steht "General Manager". Beim US-Konzern General Electric (GE) ist der Deutsche seit Jahren Führungskraft in der Sparte Wasseraufbereitung, er führt 40 Mitarbeiter. Buer hat sein Büro in Boulder/Colorado, seine Mitarbeiter sind weltweit verstreut. Klar, dass so jemand reist. Nach dem Rechten schaut, persönliche Kontakte knüpft und pflegt. Wirklich?

GE ist nicht nur ein Industriegigant sondergleichen. 300 000 Menschen arbeiten in mehr als 175 Ländern für GE, erwirtschaften einen Umsatz in Höhe von 122 Milliarden Dollar. GE sieht sich zugleich als "the world's premier digital company", als global führendes Unternehmen, in dem Industriekompetenz und Digitalisierung aufeinandertreffen.

Sterben Geschäftsreisen also im Zeitalter der Digitalisierung bei GE und anderswo aus? Wenn nein, warum nicht? Und wie kann mobile, digitale Technik Geschäftsreisen erleichtern - angesichts voller Terminkalender der Topmanager?

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Ein Blick in Thomas Buers Jahresübersicht zeigt: Der Maschinenbauingenieur von der RWTH Aachen ist mindestens einmal im Monat für ein paar Tage unterwegs. Meistens in den USA, mindestens einmal im Quartal steht ein Langstreckenflug an, in der Regel nach China. "Videokonferenzen erleichtern zwar meine Arbeit im Alltagsgeschäft, aber sie ersetzen Geschäftsreisen nicht", sagt Buer.

Unverzichtbar seien die Trips etwa bei wichtigen Kundentreffen oder Kick-off-Meetings von Projekten, an denen Mitarbeiter weltweit beteiligt sind. "Um solche Projekte zum Erfolg zu führen und die Teammitglieder auf die Ziele einzuschwören, ist es unerlässlich, dass sie sich persönlich kennenlernen." So ruft Buer einmal im Jahr sein Verkaufs- und Managementteam zum Strategie-Meeting zusammen.

Die Nachteile von Videokonferenzen sind offenkundig, sagt Stefan Vorndran. Er ist Vorsitzender des Ausschusses Business Travel im Deutschen Reiseverband (DRV). "Wer schon einmal an einer mehrstündigen Videokonferenz teilgenommen hat, weiß: Das ist kein Vergnügen. Kein Wunder, dass viele Mitarbeiter innerlich abschalten oder am Handy daddeln." Hinzu kommt: "Bei Videokonferenzen können sie deutlich schlechter Stimmungen wahrnehmen und adäquat darauf reagieren."

Ob bei GE oder deutschen Konzernen wie BASF, Bayer und Daimler, überall gilt: Je wichtiger das Projekt für das Unternehmen ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es ein persönliches Treffen gibt. Nichts geht über einen Handschlag beim Geschäftsabschluss oder einen Blick, der über das Vertrauen in den Geschäftspartner entscheidet. Ist erst einmal Vertrauen hergestellt, läuft es wie geschmiert. Das belegt eine DRV-Studie: Sieben von zehn Geschäftsreisenden sagen, dass ihr persönlicher Besuch großen Einfluss auf den Abschluss von Aufträgen hat. Ihrer Ansicht nach erhöht ein persönliches Treffen die Abschlussbereitschaft für Folgeaufträge um durchschnittlich 46 Prozent.

Hinzu kommt: Das Übernahmefieber grassiert. 2015 erreichte das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, kurz M & A) den Rekordwert von gut 4,5 Billionen Dollar. Wenn eine Firma die andere kauft, dann schwärmen die M & A-Experten aus, um das Objekt auf Herz und Nieren zu prüfen - wie etwa im Fall von Bayer und Monsanto. "Trotz größerer Investitionen in Videotechnik bleibt die Reisetätigkeit im Bayer-Konzern eher stabil", sagt ein Sprecher. Dazu passt eine Umfrage des Kreditkartenanbieters Airplus: Fast drei Viertel der Travel Manager in deutschen Unternehmen gehen davon aus, dass die Anzahl der gebuchten Reisen 2016 auf Vorjahresniveau bleiben wird.

Doch eine Geschäftsreise an sich ist noch kein Garant für Erfolg. Auch bei Planung und Durchführung kann einiges schiefgehen. "Mitunter fangen die Probleme schon mit der Genehmigung an", sagt Vorndran. "In manchen Unternehmen muss der Mitarbeiter drei Tage auf eine Genehmigung warten, weil nur der Vorstand die Reise abzeichnen darf." Selbst in Großkonzernen läuft nicht alles reibungslos. Schuld daran ist gerade die neue Technik. So können beispielsweise beim Chemiekonzern BASF die Reisen über vier verschiedene Kanäle gebucht werden: beim Anbieter, über ein Reisebüro, online oder über eine App. "Da kann es zu Komplikationen kommen, wenn sehr schnell umgebucht werden muss und Buchung/Umbuchung über unterschiedliche Wege versucht werden", sagt eine BASF-Sprecherin.

Knapp die Hälfte der Manager klagt über Stress bei Geschäftsreisen. Teilweise haben sie sich das selbst zuzuschreiben - etwa, wenn sie sich nicht rechtzeitig um die nötigen Visa gekümmert haben. Außerdem machten den Vielreisenden lange Fahrtzeiten und schlecht geplante Verbindungen zu schaffen. Jeder Zweite ärgert sich darüber, dass er auf sich allein gestellt ist, wenn es am Zielort zu Problemen kommt. Denn 39 Prozent der Arbeitgeber informieren ihre reisenden Mitarbeiter nicht, wenn es unterwegs zu Verspätungen kommt. Damit muss sich GE-Manager Thomas Buer nicht abplagen. Er kann seinen Reiseverlauf komplett im Smartphone verfolgen. "Und im Fall einer Verspätung bekomme ich sofort eine Textnachricht."

© SZ vom 30.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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