Triclosan:Desinfektionsmittel könnte Muskeln schaden

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Er ist in Seifen, Deodorants und Zahnpasta enthalten: der antibakterielle Wirkstoff Triclosan. Forscher fürchten schon länger, dass er Allergien auslösen kann. Nun warnen Wissenschaftler zugleich vor möglichen neuromuskulären Störungen.

Katrin Blawat

Triclosan ist ein Allerweltsprodukt. Seifen, Make-up, Deodorants, Matratzen, Teppiche, Haushaltsreiniger und Zahnpasta können den antibakteriellen Wirkstoff zum Beispiel enthalten. Auch in menschlichem Urin, Blut und in der Muttermilch haben Forscher schon Rückstände der Substanz gefunden. Dabei könnte Triclosan schädlicher sein, als bislang bekannt war, warnt ein Gruppe um Gennady Cherednichenko von der University of Colorado in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins PNAS (online). Ihren Ergebnissen zufolge schwächt der Stoff Herz- und Skelettmuskeln von Fischen und Mäusen. Auch menschliche, im Labor gezüchtete Muskelzellen wurden durch Triclosan beeinträchtigt. Welche Bedeutung dies für die Gesundheit von Mensch und Tier hat, ist aber noch unklar.

In Experimenten mit einzelnen menschlichen Zellen störte Triclosan die molekularen Abläufe, die notwendig sind, damit sich der Herzmuskel zusammenziehen kann. Solche Versuche spiegeln zwar die komplexen Bedingungen im lebenden Organismus nicht wider - schließlich entscheidet nicht eine einzelne Zelle darüber, ob das Herz schlägt oder stehen bleibt. Dennoch können derartige Laborexperimente Hinweise darauf geben, dass eine Substanz möglicherweise auch klinisch bedeutsame Schäden hervorruft.

Wie Triclosan auf Muskeln im lebendigen Körper wirkt, untersuchten die Forscher zudem an Mäusen und Fischen. Letztere schwammen weniger und langsamer, wenn sie eine Woche in Triclosan-belastetem Wasser lebten. Mäuse konnten sich um 18 Prozent schlechter am Untergrund festkrallen - ein verbreiteter Test, um neuromuskuläre Störungen zu untersuchen -, nachdem sie eine Dosis Triclosan erhalten hatten. Zudem verringerte sich innerhalb von 20 Minuten die Herzfunktion betäubter Mäuse um ein Viertel, wenn die Tiere der Chemikalie ausgesetzt waren. "Dramatisch" nennt Co-Autor Nipavan Chiamvimonvat diesen Effekt.

Er und seine Kollegen betonen, die getesteten Konzentrationen hätten jenen entsprochen, die auch unter natürlichen Umständen zu erwarten seien. Allerdings spritzten die Forscher den Tieren den Stoff direkt in die Bauchhöhle. Natürlicherweise nimmt man ihn aber über die Haut, Atemwege oder Schleimhäute auf. Aus den Bauchhöhlen-Versuchen ließen sich mögliche Wirkmechanismen ableiten, aber keine direkten Aussagen über die Gefahr für den Menschen, schreiben die Autoren.

Schon früher hatten andere Forscher gewarnt, dass Triclosan ein Gesundheitsrisiko darstellen könnte. Allerdings verwiesen sie dabei meist auf Allergien, die der Stoff womöglich auslöst. Auch besteht die Gefahr, dass Bakterien resistent werden, wenn die Chemikalie im Alltag ständig niedrig dosiert eingesetzt wird. Daher fordern viele Experten übereinstimmend, Seifen, Kosmetika, Textilien und Reinigern für den Hausgebrauch kein Triclosan mehr zuzusetzen.

© SZ vom 14.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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