Was verbindet Franz Kafka, Frédéric Chopin und Simón Bolívar? Das mag nach einer billigen Quiz-Frage klingen, doch tatsächlich ist es ein großes Rätsel, das Infektionsforscher seit langer Zeit beschäftigt. Alle drei Männer starben an Tuberkulose und sind damit biomedizinisch etwas Besonderes. Denn nur jeder zehnte Mensch, der sich mit dem Erreger Mycobacterium tuberculosis infiziert, erkrankt im Laufe seines Lebens daran.
Was also haben jene, bei denen Tuberkulose ausbricht, gemeinsam? Lässt sich womöglich eines Tages vorhersagen, wer erkrankt und wer nicht? Das könnte erlauben, Menschen zu behandeln noch bevor sie erkranken - und andere Menschen anstecken können. Nun hat eine Gruppe von Wissenschaftlern erstmals eine Antwort gefunden. Im Blut von Menschen, die innerhalb von zwei Jahren erkrankten, fanden sie eine Art frühen Schatten der Tuberkulose: 16 Gene, die deutlich aktiver sind als bei Infizierten, die kein Krankheitsbild entwickeln. Diese Entdeckung berichten sie pünktlich zum Welt-Tuberkulose-Tag im Fachblatt Lancet.
"Das ist ein echter Durchbruch", sagt der Tuberkuloseforscher Barry Bloom von der Harvard-Universität. Und einer, der bitter nötig ist. Tuberkulose ist keineswegs ein Problem vergangener Zeiten, sondern tötet noch heute mehr Menschen als jede andere Infektionskrankheit. Eineinhalb Millionen Menschen starben 2014 an Tuberkulose. Jeder dritte Mensch auf der Welt trägt den Erreger.
Tuberkulose:Eine böse alte Bekannte
Viele mögen Tuberkulose in Deutschland für ausgerottet halten. Doch der Medizin gelingt es nicht, die Infektion ganz zurückzudrängen. Sorgen bereiten den Ärzten resistente Erreger-Stämme und immer mehr erkrankte Kinder.
Die Forscher hatten in Südafrika mehr als 6000 Jugendliche zwei Jahre lang untersucht und alle sechs Monate Blut abgenommen. 46 der Jugendlichen erkrankten an Tuberkulose. Beim Vergleich ihres Bluts mit dem von anderen Jugendlichen, die sich ebenfalls infiziert hatten, aber nicht erkrankten, fanden die Forscher das genetische Muster. Der Bluttest funktionierte auch in einer weiteren Gruppe von Infizierten in Gambia. "Wir haben jetzt möglicherweise ein Instrument, das es uns erlaubt einzugreifen, bevor Menschen krank werden", sagt Willem Hanekom, einer der Autoren. Eine Studie dazu sei geplant.
Selbst wenn sich zeigen sollte, dass die Tuberkulose auf diesem Wege gestoppt werden kann, ehe sie ausbricht, gibt es noch einige Hürden zu überwinden. Der Test ist bislang nicht besonders genau. So erkennt er nur etwa drei Viertel der Menschen, die an Tuberkulose erkranken werden. Außerdem ist der Test sehr aufwendig. Um breit eingesetzt zu werden, müssen Forscher ihn nun billiger und einfacher machen.
Allerdings könnte er bereits jetzt bei der Entwicklung neuer Therapien gegen Tuberkulose helfen. Er erlaubt es, gezielt Probanden für Studien zu rekrutieren, die ein hohes Risiko haben, die Krankheit zu entwickeln. Das könnte die Studien viel effizienter und billiger machen, sagt Stefan Kaufmann vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin, der den Bluttest mit entwickelt hat. "Es ist ein riesiger Unterschied, ob Sie für eine Medikamentenstudie statt 10 000 Leuten und 10 Millionen Euro nur 5000 Leute und fünf Millionen Euro benötigen."
Das gilt für die Tuberkulose in besonderem Maße. Die Welt gibt weit weniger Geld für die Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe gegen Tuberkulose aus, als etwa für die HIV-Forschung. Kein Wunder, schließlich haben Kafka, Chopin und Bolívar noch etwas gemeinsam: Sie sind längst tot. Heute trifft die Krankheit vor allem Menschen in ärmeren Ländern. Das macht die tödlichste Infektionskrankheit der Welt zu einem unterschätzten und vergleichsweise wenig erforschten Leid.