Sie sollen helfen, und doch machen sie manchmal alles nur noch schlimmer. Zwar vertragen die meisten Menschen Arzneimittel gut, da aber immer mehr Medikamente verordnet werden, kommen auch immer mehr Unverträglichkeiten vor. Etwa sieben Prozent der ambulant und 20 Prozent der stationär behandelten Patienten sind betroffen.
Theoretisch kann jedes Medikament eine Allergie oder Unverträglichkeit verursachen. Zu den häufigsten Allergieauslösern zählen Antibiotika (Penicillin), Schmerzmittel und Röntgenkontrastmittel. Aber auch bestimmte Stoffwechsel-Präparate oder Mittel gegen Epilepsie sind für unerwünschte Nebenwirkungen bekannt. Ein erhöhtes Risiko haben Asthmatiker, Allergiker und Menschen, bei denen bereits eine Medikamentenunverträglichkeit aufgetreten ist.
"In 70 bis 80 Prozent der Unverträglichkeiten handelt es sich um Hautausschläge", sagt Jörg Kleine-Tebbe, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Allergie und klinische Immunologie (DGAKI) und Hautarzt am Berliner Allergie- und Asthma-Zentrum Westend. Die können kurz nach der Einnahme, aber auch noch zehn Tage später auftreten. "Die meisten Ausschläge sind nicht lebensbedrohlich, aber äußerst unangenehm", sagt der Allergologe.
Mögliche Formen sind die Nesselsucht (Urtikaria), bei der die Haut rasch Quaddeln bildet. Bei Blutdruckmitteln treten in seltenen Fällen größere Schwellungen der Haut, so genannte Angioödeme auf. Hautauschläge, auch Exantheme genannt, erscheinen oft als großflächige symmetrische Rötungen, manchmal mit Knötchen oder Schwellungen. Oft treten sie erst Stunden bis Tage nach der Medikamenteneinnahme auf. Mit Hilfe von cortisonhaltigen Salben und in schlimmeren Fällen Tabletten bilden sich die Hautreaktionen wieder zurück.
"Gefährlich können Exantheme werden, wenn sich die Haut oder Schleimhaut in Blasen abhebt oder innere Organe betroffen sind", sagt Kleine-Tebbe. Letzteres gilt zum Beispiel für das sogenannte DRESS-Syndrom mit Entzündungen in Leber, Milz oder anderen Organen. Sie werden durch T-Lymphozyten hervorgerufen, die überall im Körper patrouillieren. Symptome sind dann hohes Fieber, schwerstes Krankheitsgefühl und geschwollene Lymphknoten. Aufschluss darüber geben meist die Blutwerte. "Diese Überempfindlichkeitsreaktionen sind jedoch eher selten", so Kleine-Tebbe.
Und noch weitere Symptome sind möglich: Reagieren Patienten überempfindlich auf Schmerzmittel , kommt es nur in fünf bis zehn der Fälle zu Hautausschlägen, aber bei 90 Prozent zu Entzündungen der Nasenschleimhaut, der Nasennebenhöhlen und zu Reaktionen in den Bronchien. "Manchmal bilden sich in der Nase auch Polypen, blasige Schleimhautwucherungen, die den Geruchssinn so stark beeinträchtigen können, dass Betroffene nichts mehr riechen", sagt Susanne Mayr, niedergelassene Hals-Nasen-Ohren Ärztin und Allergologin in Erlangen.
Meist wird diese Intoleranz gegen Acetysalicylsäure (Aspirin) entwickelt. Die Überempfindlichkeit kann aber auch durch Analgetika wie Ibuprofen, Diclofenac und in geringerem Maß Paracetamol ausgelöst werden. Schätzungsweise 0,5 bis 5,7 Prozent der Bevölkerung sind Mayr zufolge von einer Analgetika-Intoleranz betroffen, bei Asthmatikern sogar 20 bis 34 Prozent. Alternativ können diese Patienten auf Opiate oder Cox-II-Hemmer als Schmerzmittel ausweichen.
Zugenommen hat in den vergangenen Jahren die Unverträglichkeit von Röntgenkontrastmitteln. "Durch die Häufigkeit ihres Einsatzes gehören sie inzwischen zu den häufigsten Auslösern von Arzneimittelallergien", sagt Knut Brockow, Hautarzt am Klinikum rechts der Isar in München. Weltweit gibt es pro Jahr rund 75 Millionen Verabreichungen von Röntgenkontrastmitteln.
Unverträglichkeitsreaktionen kommen in ein bis drei Prozent aller Untersuchungen vor. "In etwa 70 Prozent der Sofortreaktionen treten innerhalb einer Stunde Juckreiz und Quaddelsucht auf", sagt Brockow. Spätreaktionen in Form von Exanthemen machen sich erst nach mehreren Stunden bis zu einem Tag bemerkbar. Eine isolierte Reaktion mit Quaddelbildung ist zwar meist ungefährlich, sie kann aber auch ein Warnzeichen für einen beginnenden anaphylaktischen Schock sein.
Eine Medikamentenunverträglichkeit sollte von einem allergologisch geschulten Arzt abgeklärt und in einem Allergiepass vermerkt sein. Die Diagnose ist aufwändig, aber lohnend. Mehr über die Tests und ihre Konsequenzen lesen Sie hier.