Sicherheit von Medikamenten:Warnung aus dem Netz

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Wissensvorsprung durch Google und Co.: US-Forscher haben herausgefunden, dass Internetnutzer bereits Hinweise auf kritische Wechselwirkungen von Medikamenten gaben, als Behörden und Fachleute noch ahnungslos waren. Können Suchmaschinen dabei helfen, unbekannte Nebenwirkungen von Arzneien zu identifizieren?

Die Grippekranken haben es bereits vorgemacht. Suchen sie im Netz nach Informationen über Husten, Fieber und Unwohlsein, legen sie eine virtuelle Spur, die Medizinern Informationen über die Influenza-Ausbreitung gibt. Diese Hinweise aus dem Internet sind nicht nur zuverlässig, sondern ermöglichen schnellere Erkenntnisse als die offiziellen Meldesysteme von Ärzten und Gesundheitsbehörden.

Eine weitere Möglichkeit, die Signale der Massen in Gesundheitsfragen zu nutzen, haben US-Forscher jetzt untersucht. Wissenschaftler der Universitäten Stanford und Columbia (New York) sowie des Software-Herstellers Microsoft fragten sich, ob sich Wechselwirkungen von Medikamenten im Netz schneller erkennen lassen als auf den üblichen amtlichen Informationswegen ( Journal of the American Medical Informatics Association, online).

Das Team um Eric Horvitz von der Stanford University nahm sich dazu einen Beispielfall vor: die Wechselwirkungen des Antidepressivums Paroxetin und des Cholesterinsenkers Pravastatin. Analysen aus Daten der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA hatte Hinweise darauf ergeben, dass die Kombination beider Präparate die Gefahr birgt, den Blutzuckerspiegel zu erhöhen.

Die Wissenschaftler analysierten mehr als 80 Millionen Fragen, die sechs Millionen Internetnutzer in die Suchmasken von Google, Yahoo und Microsoft tippten. Dabei zeigte sich: Nutzer, die nach beiden Medikamenten gleichzeitig suchten, fügten besonders häufig Wendungen wie "hoher Blutzucker" hinzu. Diese Menschen interessierten sich in zehn Prozent aller Suchanfragen für den Blutzuckeranstieg. Das waren doppelt so viele wie die Nutzer, die nur nach Nebenwirkungen eines der beiden Medikamente fahndeten.

Damit lieferten die Netzdaten ein "starkes Signal", schreiben die Forscher. Und: Sie lieferten einen frühen Hinweis. Denn die US-Forscher analysierten Suchanfragen aus dem Jahr 2010, als die unerwünschte Wirkung noch nicht bekannt war.

Allerdings stammt die Analyse der Forscher aus der Zeit nach Bekanntwerden der möglichen Wechselwirkung. Die Wissenschaftler wussten also bereits, wonach sie suchen mussten. Ein sicherer Weg, vollkommen unbekannte Nebenwirkungen aus dem Rauschen des Netzes herauszufiltern, ist damit noch nicht aufgezeigt. Dennoch sehen die Autoren Potenzial in ihrer Erkenntnis. Auf die Signale der Massen zu hören, kann prinzipiell zu mehr Medikamentensicherheit führen, schreiben sie in ihrem Artikel.

Allein in den USA treten jährlich mehr als 770.000 Fälle von unerwünschten Medikamentenwirkungen auf. Etwa 30 Prozent davon gehen auf Wechselwirkungen zurück.

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