Kalorienbomben, Klebefleisch, Imitatkäse:Die EU-Kennzeichnung kommt - aber nicht sofort

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Endlich hat der EU-Ministerrat den Weg frei gemacht für eine europaweit einheitliche Kennzeichnung von Lebensmitteln. Einige Jahre haben Hersteller allerdings noch Zeit, die Vorschriften umzusetzen, die Verbraucherschützern nicht weit genug gehen.

Daniela Kuhr

Das Problem ist seit langem bekannt: Viel zu häufig greifen Europäer zu fettigen kalorienreichen Lebensmitteln, die oftmals auch noch sehr süß oder sehr salzig sind. Übergewicht und falsche Ernährung tragen mittlerweile enorm dazu bei, dass die Kosten im Gesundheitswesen explodieren.

In Zukunft sollen auf allen Lebensmittelprodukten in der EU ähnlich wie auf dieser Packung Angaben zu den wichtigsten Inhaltsstoffen zu lesen sein. (Foto: dpa)

Damit Verbraucher leichter erkennen, wie gehaltvoll ein Lebensmittel ist, hat der EU-Ministerrat am Donnerstag - nach dreieinhalb Jahren zäher Verhandlungen mit Kommission und Parlament - nun endlich den Weg frei gemacht für eine europaweit einheitliche Kennzeichnung. Gleichzeitig räumte er jedoch den Herstellern lange Übergangsfristen ein, um die neuen Vorschriften umzusetzen.

Von 2016 an müssen demnach europaweit auf allen Lebensmittel-Verpackungen sieben Angaben stehen: der Energiegehalt, die Menge an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlehydraten, Zucker, Eiweiß und Salz. Die Angabe bezieht sich jeweils auf 100 Gramm des Produkts oder 100 Milliliter. Freiwillig sind zusätzliche Angaben pro Portion erlaubt, ebenso wie die in Deutschland bereits verbreiteten Informationen dazu, wie viel Prozent des Tagesbedarfs damit gedeckt werden. Verbraucherschützern gehen die Regeln dennoch nicht weit genug.

Vor allem zwei Punkte stehen in der Kritik. Zum einen hätten Verbraucherschützer sich gewünscht, dass wenigstens der Kaloriengehalt zwingend vorn auf der Verpackung stehen müsste. Doch stattdessen soll es nun genügen, dass alle Informationen in einer Tabelle auf der Rückseite enthalten sind.

Zudem hatte sich ein Bündnis von Ernährungsspezialisten und Ärzten für die sogenannte Lebensmittel-Ampel eingesetzt. Bei ihr wäre mit den Farben rot, gelb und grün angezeigt worden, ob der jeweilige Nährwertgehalt hoch, mittel oder gering ist. Weil diese vereinfachende Darstellung jedoch bei Verbrauchern zum Teil falsche Vorstellungen über die Qualität eines Lebensmittels geweckt hätte, hatten sich weder die EU-Parlamentarier noch der Ministerrat dafür erwärmen können.

Stattdessen hatten die Parlamentarier zunächst dafür plädiert, dass auf Lebensmitteln künftig immer stehen muss, wie viel Prozent des Tagesbedarfs mit 100 Gramm des Produkts gedeckt werden. Das hätte den Vorteil gehabt, dass der Verbraucher nicht nur in absoluten Zahlen erfährt, wie viel Gramm Fett ein Produkt enthält, sondern auch, ob das verhältnismäßig viel oder wenig ist. Doch auch diese Informationspflicht ist nicht Teil der Verordnung geworden. Damit seien leider Zucker- und Fettbomben auch in Zukunft nicht auf einen Blick erkennbar, kritisierte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV).

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) dagegen sprach von einem "wichtigen Schritt". Verbraucher in ganz Europa könnten sich künftig auf eine "transparente und einheitliche Kennzeichnung" verlassen. In Deutschland informieren viele Lebensmittel-Hersteller schon seit längerem freiwillig über die Nährwertgehalte - häufig auch mit Angaben zum Tagesbedarf. "Ich gehe davon aus, dass sie die Angaben zum Tagesbedarf beibehalten werden, auch wenn die Verordnung sie nicht vorschreibt", sagte Anja Weisgerber, CSU-Verbraucherschutz-Expertin im Europaparlament.

Zudem müssen Hersteller, die mit Imitaten - wie etwa Kunstkäse - arbeiten, von 2014 an unmittelbar neben dem Produktnamen gut lesbar darauf hinweisen, etwa durch den Zusatz "ersatzweise aus Pflanzenöl". Für VZBV-Ernährungsexpertin Christina Rempe ist diese Pflicht mit der "größte Vorteil", den die neuen Regeln bringen. "Damit werden Verbraucher leichter erkennen können, wenn ein Produkt mit einer schmeichelnden Phantasiebezeichnung nicht mehr ist als ein billiges Ersatzprodukt." Die Verwendung von Klebefleisch muss künftig ebenfalls klar erkennbar sein und mit dem Hinweis "aus Fleischstücken zusammengefügt" kenntlich gemacht werden.

© SZ vom 30.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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