Glutenunverträglichkeit Zöliakie:40 Jahre bis zur Diagnose

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Das Grundnahrungsmittel Brot ist für Zöliakie-Patienten problematisch. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ein bisschen sensibel beim Essen zu sein, gilt als schick. Doch wer an einer echten Gluten-Unverträglichkeit leidet, hat nicht selten einen langen Leidensweg vor sich.

Von Katrin Neubauer

"Du musst doch auch mal Brot essen." Der besorgte Unterton in der Stimme meiner Mutter klingt mir bis heute in den Ohren. Ich wollte kein Brot essen, nicht mit Wurst, nicht mit Käse, nicht mal mit Marmelade oder Honig. Oft aß ich trotzdem - meiner Mutter zuliebe. Abendbrot war die meistgehasste Mahlzeit. Mittagessen liebte ich, so lange es Kartoffeln gab. Gegen Nudeln und Hefeklöße hatte ich dieselbe Abneigung wie gegen Brot. Im Kindergarten musste ich sie trotzdem essen. Als ich erbrach, hieß es: "Die Soßen weglassen."

Ich nahm nur langsam zu, war immer die Kleinste. Mit zehn Jahren maß ich 1,27 Meter. Meine Familie machte sich Sorgen und der Kinderarzt runzelte die Stirn wegen meines Untergewichts. Auch die Blutwerte waren nie richtig in Ordnung. Es fehlte Eisen. Ich müsse mehr essen, so der Rat des Arztes. Aber das ging irgendwie nicht. Nach fast jeder Mahlzeit quälte ich mich mit Übelkeit, Bauchschmerzen und Blähungen herum. Schnell hatte ich mir den Ruf eines äußerst mäkeligen Kindes eingehandelt.

Damals in den Siebzigerjahren ahnte noch niemand, dass hinter meiner "Mäkeligkeit" eine Autoimmunerkrankung steckt: Zöliakie - eine lebenslange Unverträglichkeit von Gluten, durch die der Dünndarm geschädigt und die Nährstoffaufnahme beeinträchtigt wird. Bis heute ist die Erkrankung wegen ihrer oft unklaren Symptome schwer festzustellen. Bei mir sollte es mehr als 40 Jahre dauern.

In dieser Zeit waren Übelkeit, Durchfall und Gelenkschmerzen meine ständigen Begleiter. Mit zwölf Jahren stellte mein Körper bei einer Größe von 1,53 Meter das Wachsen ein. Ich trug als erwachsene Frau Konfektionsgröße 158. Einmal - ich war als Journalistin auf einem Pressetermin - fragte mich ein Politiker, ob ich von der Schülerzeitung käme.

Müde, erschöpft, unkonzentriert

Nach der Geburt meines Sohnes nahmen die Beschwerden zu. Heftige Schübe von wässrigen Durchfällen plagten mich Tag und Nacht. Sie spülten alle Kraft aus meinem Körper heraus. Ich wog mit 31 Jahren noch 38 Kilo. Hausärzte rieten mir, mich gesünder zu ernähren, mehr Vollkorn, Obst und Gemüse. Ich war bis dahin neun Jahre Vegetarier gewesen und hatte genau das gegessen.

Bald spürte ich auch im Kopf den Nährstoffmangel. Die Konzentration fiel schwer, mein Gedächtnis schwächelte. Ich vergaß Termine. Im Job gab es Probleme. Ich war zu langsam und erschöpft. Ein Blutbild ergab - wie immer - Eisenmangel. Ich sollte zur Magenspiegelung. Der Gastroenterologe entdeckte eine Entzündung des Zwölffingerdarms, entnahm aber keine Gewebeproben.

Nach der Geburt des dritten Kindes waren meine Kräfte aufgebraucht. So viel ich auch aß, es schien nichts mehr im Körper anzukommen. Meine Rippen zeichneten sich einzeln unter der Haut ab, die Hosen, die mir mit 15 Jahren gepasst hatten, rutschten über die Hüften. Schlafstörungen stellten sich ein. Immer öfter wachte ich mit Schwellungen an Lippen, Augen und Stirn auf.

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Schließlich ließ ich auf eigene Rechnung ein Blutbild mit 34 Parametern - darunter nie getestete Nährstoffwerte - anfertigen. Die Vitamin D- und Folsäurewerte lagen weit unter der Untergrenze. Eisen und B-Vitamine dümpelten trotz Nährstoff-Spritzen und Tabletten im unteren Grenzbereich. Die Leberwerte waren leicht erhöht und ich hatte Eiweißmangel. Ich startete einen mehrere hundert Euro teuren Substitutionsmarathon, fünf Monate lang acht Kapseln am Tag. "Warum bin ich so mangelernährt", war die Frage, die in meinem Kopf hämmerte.

Eines Tages brachte meine Tochter eine Mitschülerin mit nach Hause, die Zöliakie hatte. Ich kaufte glutenfreie Kekse, kochte glutenfreies Essen und probierte davon. Danach ging es mir besser als sonst. Ich kaufte glutenfreie Brötchen und ernährte mich eine ganze Woche nahezu glutenfrei. Die Symptome wurden schwächer.

Mein Hausarzt schüttelte den Kopf, als ich mit meinem Verdacht herausrückte. "Sie haben doch keine Zöliakie. Da würde es ihnen viel schlechter gehen." Ich fand, dass es mir durchaus schlecht genug ging. Immerhin schickte er mich zu einer Magenspiegelung. Der Internist versäumte es diesmal komplett, den Dünndarm genauer zu inspizieren. Auf der Überweisung stand nichts von Zöliakieverdacht. Das Ergebnis: kein Befund.

Drei Monate später dann auf mein Drängen hin eine weitere Magenspiegelung. Diesmal beschwor ich den Arzt geradezu, auch den Dünndarm anzugucken und Gewebeproben zu entnehmen. Das Endoskop lieferte schließlich eindeutige Bilder: Einen Dünndarm mit stark verkürzten Zotten. Der Darm hatte etwa noch ein Drittel seiner ursprünglichen Oberfläche, meinte der Gastroenterologe. Folge einer unerkannten Zöliakie.

Die Umstellung auf glutenfreie Kost war problemlos. Die letzten Jahre hatte ich ohnehin nur noch minimale Mengen an Getreide aufnehmen können. Schwieriger war es, Verständnis dafür zu finden. Nach dem Besuch eines äthiopischen Restaurants stellten sich urplötzlich wieder heftige Durchfälle ein, obwohl die Speisen angeblich aus Teff-Mehl und damit glutenfrei sein sollten.

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Oft bestelle ich in Restaurants lieber nur Salat und frage vorsichtshalber nach, ob der glutenfrei ist. Daraufhin ernte ich verständlicherweise ein breites Grinsen. Trotzdem wird er dann manchmal auf Brot oder Teigfladen serviert. Als ich meinen Hausarzt später noch mal wegen der Schlafprobleme konsultierte, verschrieb er mir ein pflanzliches Mittel - versehentlich auf Weizenbasis.

Dennoch: Die Diagnose war der Beginn eines wundervollen körperlichen Wohlbefindens. Übelkeit, Durchfälle und Schwellungen waren mit glutenfreier Kost innerhalb weniger Tage verschwunden. Ein dreiviertel Jahr später hatte ich neun Kilogramm mehr auf den Rippen. Hosen und T-Shirts schlabbern nicht mehr herum, sondern umreißen wieder eine Figur. Wachsen werde ich wohl nicht mehr, aber erstmals in meinen Leben fühle ich mich in meinem Körper wohl.

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