Machen Hochspannungsleitungen vor dem Wohnzimmerfenster krank? Mediziner können darauf keine klare Antwort geben. Darum schwirren unzählige Berichte über Leukämie bei Kindern, Alzheimer bei Lokführern und driftende Wolken ionisierter Luftpartikel durch das Netz und werden in der Debatte instrumentalisiert.
Bei der Frage, ob von Stromleitungen eine gesundheitliche Gefahr ausgeht, sind zwei Faktoren wichtig. Der erste ist das elektrische Feld, das die Trassen erzeugen. Es hängt von der Spannung ab, die an den Leitungen anliegt. Es lässt sich leicht abschirmen, schon durch Bäume im Garten und erst recht durch Häuserwände. Das zweite ist das magnetische Feld. Es entsteht durch den Strom, der tatsächlich durch die Leitungen fließt und durchdringt fast alles nahezu ungeschwächt.
Magnetfelder lassen im Körper von Menschen Ströme fließen, hin und her im 50-Hertz-Rhythmus des Stromsystems. Sie können darum wirksamer sein als das statische Magnetfeld der Erde. Zu den akuten Folgen eines wechselnden Magnetfelds gehören Herzkammerflimmern oder Lichtblitze im Auge; die geltenden Grenzwerte sollen solche Effekte verhindern. Die Limits liegen für ein Magnetfeld mit Netzfrequenz bei 100 Mikrotesla und für Bahnstrom mit 16,67 Hertz bei 300 Mikrotesla.
Die meisten Menschen werden allerdings kaum jemals solchen Feldern ausgesetzt: Im Alltag liegen die Werte nach Messungen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) eher bei 0,1 Mikrotesla. Allerdings herrschen in der Nähe von Hochspannungsleitungen im Mittel 0,8 Mikrotesla, haben Prüfer des Ecolog-Instituts in Hannover festgestellt. Würden die Stromtrassen ausgelastet, könnten es in einzelnen Wohnung sogar bis zu 16 Mikrotesla werden, so eine Hochrechnung.
Das ist zwar weit unterhalb des Grenzwertes, aber deutlich mehr, als Forschern behagt. Sie haben nämlich immer wieder festgestellt, dass sich bei ungefähr 0,4 Mikrotesla das Risiko für kleine Kindern verdoppelt, Leukämie zu bekommen.