Gefälschte Medikamente:Sicherheit für die Pillenschachtel

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Gefälschtes Viagra: Für den Laien sind Plagiate kaum zu erkennen. (Foto: dpa)

Viagra und Wachstumshormone sind besonders betroffen: Über Internetbestellungen oder Einkäufe im Ausland gelangen eine Menge gefälschte Medikamente nach Deutschland. Die Pharmabranche testet daher einen Sicherheitscode für jede Packung. Doch der Aufdruck gegen das Fälschertum hat seinen Preis.

Von Helga Einecke

Am 19. März schnappte die Falle zu. Die Kriminalpolizei nahm in Hamburg zwei Männer fest, die zwei Jahre lang das Magenmittel Omeprazol gefälscht und in Umlauf gebracht haben sollen. Der Schaden soll sich auf mehr als eine Million Euro belaufen, die Hersteller mussten die gefälschten Chargen aus dem Handel nehmen. Glück im Unglück: Eine Gefahr für die Gesundheit waren die Plagiate nicht.

Der Festnahme vorausgegangen waren umfangreiche Ermittlungen und Durchsuchungen in Deutschland und Europa. Die Fälschung flog auf, weil Apotheker mehr Packungen beim Hersteller Ratiopharm abrechneten, als hergestellt worden waren - das Unternehmen zeigte den Fall an. Vermutungen, die Fälschungen stammten aus einem Werk der Ratiopharm-Mutter Teva in Spanien, haben sich nicht erhärtet.

Gefälschte Arzneimittel kommen in Deutschland bisher nur selten auf legalen Wegen in Umlauf. Lediglich 40 Fälle dieser Art haben die Behörden im letzten Jahrzehnt registriert, was im Promillebereich der insgesamt verkauften Medikamenten-Packungen liegt. Aber über Bestellungen im Internet oder über Einkäufe im Ausland gelangen schon eine Menge Pillen ins Land, die nicht halten, was sie versprechen. Besonders beliebt sind dabei Mittel gegen Erektionsstörungen wie Viagra oder Wachstumshormone, mit denen man sich die Muskeln aufpumpen kann.

Die Europäische Union macht nun Druck, für Sicherheit bei Arzneimitteln zu sorgen. Von 2017 an muss jede Pillen-Packung Sicherheitsmerkmale tragen, mit denen man die Echtheit nachvollziehen kann. Bis dahin wird auch eine Richtlinie zum Fälschungsschutz in nationales Recht umgesetzt. In Deutschland haben sich Verbände der forschenden Arzneimittelhersteller, Großhändler und Apotheken zu einer Initiative namens Securpharm zusammengefunden, um ein neues Sicherheitssystem auf die Beine zu stellen.

"Jede Packung ein Unikat"

Die Idee, die gerade in 280 Apotheken erprobt wird, ist eine Codierung der Packungen, um deren Weg vom Hersteller über den Großhandel bis zur Ladentheke zurückverfolgen zu können. Auf der Schachtel wird ein Data-Matrix-Code aufgedruckt, wie man ihn auch von Fahrscheinen der Bahn kennt. Der Code enthält die Schlüsselpositionen und kann nur einmal vergeben werden. "Arzneimittelhersteller machen damit jede Packung zu einem Unikat", erklärte Securpharm-Sprecher Reinhard Hoferichter.

So ein System kostet natürlich. Sechs Millionen Euro geben die Hersteller und Verbände dafür aus. Sollte es sich durchsetzen, würden sich die Pillen-Packungen um drei bis sechs Cent verteuern. Bei Securpharm geht man eher von drei Cent oder insgesamt 21 Millionen Euro pro Jahr aus. Diese Annahme beruht auf einem Verkauf von 700 Millionen Packungen an verschreibungspflichtigen Medikamenten pro Jahr. Angesichts von jährlichen Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente in Höhe von 30 Milliarden Euro halten die Hersteller diese Größenordnung für verkraftbar.

Die Hersteller von Nachahmer-Produkten, also auch Ratiopharm, verschließen sich dem Sicherheitsaspekt zwar nicht. Bisher galten ihre Produkte aber als weniger fälschungsanfällig, weil sie weitaus billiger als patentgeschützte Medikamente sind und geringe Margen erzielen - der Einsatz also nicht so lohnend ist. Wie der Fall Omeprazol zeigt, stimmt das nicht immer. Denn Omeprazol , das von mehreren Nachahmer-Firmen angeboten wird, war die Fälschung offensichtlich attraktiv. Wie attraktiv, das ermitteln die Staatsanwälte in Stuttgart noch.

© SZ vom 24.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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