In der Debatte über die Teilnahme von Demenzkranken an Arzneimitteltests, die ihnen selbst keinen Nutzen mehr bringen, hat sich die Unionsfraktion nach langen Diskussionen auf eine gemeinsame Linie geeinigt. Damit hängt die Zukunft des ursprünglich von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) eingebrachten Gesetzes jetzt davon ab, wie sich die SPD positioniert. Eine Einigung bei den Sozialdemokraten steht aber noch aus.
Die Abgeordneten von CDU und CSU stimmten am Dienstagabend mit großer Mehrheit für eine Kompromissregelung, wonach Demenzpatienten an sogenannten gruppennützigen Studien teilnehmen können, wenn sie dies vorher - noch in weitgehend gesundem Zustand - schriftlich festgehalten haben. Bisher ist das verboten. Anders als ursprünglich geplant, sollen Betroffene ihr Einverständnis aber nicht mehr im Rahmen einer Patientenverfügung abgeben, sondern eine sogenannte Probandenverfügung unterschreiben.
Der Schritt ist eine Reaktion auf die Kritik, wonach die Patientenverfügung nur dazu da sei, die ärztliche Behandlung am Lebensende zu regeln. Wenn man mit ihr auch die Teilnahme an wissenschaftlichen Studien klären wolle, mache man sie zu kompliziert, hieß es. Laut Teilnehmerangaben stimmten zehn Unions-Abgeordnete gegen den Kompromiss, drei enthielten sich. Die Fraktion hat mehr als 300 Mitglieder.
"Ethisch schwierige Frage"
Darüber hinaus sieht der Beschluss der Union vor, dass Interessenten sich von einem Arzt über allgemeine Risiken von Medikamententests aufklären lassen müssen, wenn sie eine Probandenverfügung unterzeichnen wollen. Schließlich muss später der gesetzliche Betreuer des Demenzkranken abermals die Studienteilnahme bestätigen, wenn er das konkrete Forschungsvorhaben kennt. So soll er unter anderem überprüfen, ob die Studie von der Probandenverfügung abgedeckt ist.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), sprach am Mittwoch von einer "ethisch schwierigen Frage" und rief dazu auf, die Fraktionsdisziplin auszusetzen. Ähnliche Forderungen hatte es zuvor bereits vonseiten der SPD und den Grünen gegeben. Damit steht die Abstimmung über Studien an Demenzkranken in einer Linie mit den ebenfalls ethisch umstrittenen Entscheidungen über die Sterbehilfe im vergangenen November und die Präimplantationsdiagnostik im Juli 2011.
Vorbehalte in der SPD
Bereits in der vergangenen Woche hatte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach, einen Kompromissvorschlag gemacht. Der nun von der Union gefasste Beschluss ähnelt dem Papier in wesentlichen Punkten. Allerdings gibt es in der SPD noch Vorbehalte. So wollen die Gesundheitspolitiker um Hilde Mattheis auf eine verpflichtende Arzt-Aufklärung im Zuge der Verfügung verzichten.
Andere lehnen, wie auch Teile der Union, eine Einbeziehung von Demenzkranken in gruppennützige Forschung grundsätzlich als ethisch fragwürdig ab. Lauterbach sagte am Mittwoch, er "kämpfe weiter für einen Vorschlag in der Mitte". Die Koalition plant, das Gesetz noch vor der parlamentarischen Sommerpause zu beschließen. Damit bleiben den Verhandlungsführern der beiden Fraktionen noch knapp zwei Wochen Zeit, um Mehrheiten zu organisieren.