Depressionen:Schlechte Stimmung trotz Stimmungsmacher

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Millionen Antidepressiva werden jährlich in Deutschland geschluckt. Doch neue Medikamente wirken häufig kaum - oder gar nicht.

Werner Bartens

Millionenfach wurden die Pillen gegen die Schwermut jedes Jahr in Deutschland geschluckt. Jetzt zeigt sich, dass Reboxetin, das unter dem Namen Edronax von Pfizer vertrieben wird, bei Depressionen kaum hilft. Zu diesem Fazit kommt zumindest das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), das Dienstag eine Bewertung vorgelegt hat.

(Foto: Foto: AP)

"Dem fehlenden Nachweis eines Nutzens von Reboxetin stehen Belege für einen Schaden gegenüber", erklärt das IQWIG. "Im Vergleich zu Placebo wie mit einem weiteren Antidepressivum brachen Patienten die Therapie häufiger wegen Nebenwirkungen ab."

Das Ergebnis ist pikant, weil es Streit um die Auswertung gegeben hatte. Zu Beginn der Analyse lagen lediglich publizierte Daten von 1600 Patienten vor. Aus Datenbanken war für die IQWIG-Forscher aber ersichtlich, dass mindestens 5000 Patienten in Studien behandelt worden waren - in der zugänglichen Literatur fehlten die Ergebnisse von zwei Dritteln der Patienten.

Dabei suggerierten die veröffentlichten Ergebnisse einen Nutzen, den das IQWIG nicht bestätigen konnte, nachdem es alle Daten ausgewertet hatte. Die Analyse erbrachte auch, dass BupropionXL und Mirtazapin Beschwerden Depressiver lindern können.

Teurer, aber nicht besser

"Irreführung durch Verschweigen ist kein Kavaliersdelikt", sagt Peter Sawicki, der Chef des IQWIG. "Ohne vollständige Information können Patienten im Extremfall nutzlose oder gar schädliche Behandlungen erhalten." Als Publikationsbias bezeichnen Wissenschaftler das Phänomen, dass der Nutzen einer Therapie systematisch überbewertet wird, wenn nur positive Ergebnisse veröffentlicht werden und negative in den Schubladen der Firmen bleiben.

"Pfizer sieht für Reboxetin einen Nutzen bei Depressionen", sagt Martin Fensch von Pfizer. Zudem weist er darauf hin, "dass das Unternehmen Daten zu Reboxetin auch zuvor nicht zurückgehalten hat".

Laut IQWIG seien die Daten "erst unter öffentlichem Druck" offengelegt worden. Die Regierung müsse endlich verbindliche Regeln beschließen, dass alle Studien, die begonnen werden, in einem Register eingesehen werden können, wie das in den USA seit 2008 vorgeschrieben ist, fordert das Institut.

Welche Medikamente bei Depressionen wie gut helfen, ist umstritten. Zahlreiche neuere Antidepressiva scheinen vor allem teurer, aber nicht besser zu sein als die alten. Erst 2008 hatte Irving Kirsch beschrieben, dass Antidepressiva aus der Gruppe der SSRI kaum die Symptome verbesserten. Bei leichter wie bei schwerer Depression fand sich kaum ein Unterschied zur Therapie mit Placebo.

"Antidepressiva sind nach neuesten unabhängigen Leitlinien nicht mehr Mittel der ersten Wahl bei leichten Depressionen", schreiben Ulrich Schwabe und Dieter Paffrath im Arzneiverordnungsreport, den beide herausgeben. "Auch bringt die weiter steigende Zahl von Antidepressiva keinen therapeutischen Vorteil."

© SZ vom 25.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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