Defibrillatoren an öffentlichen Orten:Lebensrettern droht das Vergessen

Laien-Defis sollen Leben retten. Doch vielerorts in Deutschland verstauben die Geräte in irgendeiner Ecke. Zehn Jahre nach ihrer Einführung stellt sich die Frage: Wie sinnvoll sind die Stromstoßgeber überhaupt?

Von Berit Uhlmann

Die Dramatik des Defibrillators kennt jeder Fernsehzuschauer. "Kammerflimmern!" lautet das Kommando in den Krankenhausserien, worauf der Arzt mit großer Geste nach den Schockgebern greift und schreit: "Aus dem Weg!" Die Helfer stieben hektisch auseinander. Typischerweise wiederholt sich diese Szene mehrmals, bis dann dem dritten Stromstoß ein eindrucksvolles Aufbäumen des Patienten und schließlich die Erleichterung folgt: Das Herz schlägt wieder.

Etwa zehn Jahre alt ist der Plan, dass in Deutschland auch Laien Defibrillatoren bedienen sollen. Vielerorts wurden die handtaschengroßen Geräte aufgehängt. Sie sollen den Plötzlichen Herztod verhindern, einen Notfall, bei dem das Herz meist aufgrund einer Erkrankung plötzlich kein Blut mehr durch den Körper pumpt. Stattdessen zuckt es oft nur noch. Ärzte sprechen dann vom Kammerflimmern. Durch den Stromstoß aus einem Laiendefibrillator kann das Herz theoretisch wieder zum Schlagen gebracht werden. Doch wie sieht es in der Praxis aus?

Die Münchner Verkehrsgesellschaft vermeldete dieser Tage, dass in Kürze alle U-Bahnhöfe der Landeshauptstadt mit einem Laiendefibrillator ausgerüstet sein werden. Erleidet hier ein Mensch einen Herzstillstand, soll ein Umstehender den Defibrillator aus der Notrufsäule nehmen. Er muss die Elektroden auf die Brust des Bewusstlosen kleben und den akustischen Anweisungen des Gerätes folgen. Der Defi analysiert selbständig den Herzrhythmus. Stellt er ein Kammerflimmern fest, gibt das Gerät einen Stromstoß ab oder fordert den Ersthelfer auf, per Knopfdruck den Schock auszulösen. Etliche Studien haben gezeigt, dass die Geräte prinzipiell wirksam und leicht zu bedienen sind. Laien können mit den automatischen externen Defibrillatoren, wie Mediziner sie nennen, kaum etwas falsch machen.

Doch nur die allerwenigsten Menschen hatten je Gelegenheit, den rettenden Stromstoß abzugeben. In der Therme "Lago" in Herne, einem der deutschen Pilotprojekte, eilten Ersthelfer innerhalb von zehn Jahren genau zweimal mit dem Defi herbei. In beiden Fällen lag kein Kammerflimmern vor, das Gerät gab keinen Schock ab. Im Düsseldorfer Landtag wurden die Stromstoßgeber binnen acht Jahren nicht ein einziges Mal benutzt. Am Frankfurter Flughafen wurden hingegen im gleichen Zeitraum zwölf Menschen erfolgreich wiederbelebt. In den Münchner U-Bahnstationen haben die Geräte nach Angaben des Betreibers in den vergangenen elf Jahren 16 Menschenleben gerettet.

Diese Zahlen spiegeln Erfahrungen wider, die in mehreren anderen Ländern schon vor etlichen Jahren gemacht wurden: Nur dort, wo viele Menschen zusammenkommen, an Verkehrsknotenpunkten oder in riesigen Freizeit- oder Shopping-Centern, werden die Geräte benutzt. Doch in Deutschland gab es bis vor einigen Jahren eine regelrechte Euphorie, hat Hans-Joachim Trappe beobachtet. Der Kardiologe von der Universität Bochum hat die Implementierung vieler Defibrillatoren von Beginn an begleitet. "Jeder wollte unbedingt einen Defibrillator haben. Da wurden Geräte auch unreflektiert oder allein wegen ihrer PR-Wirkung aufgehängt: in Eckkneipen, Bankfilialen, an Sportplätzen."

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