Vorkaufsrecht:Vom Mieter zum Eigentümer

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Werden Wohnungen verkauft, haben die Bewohner oft die Möglichkeit, ihre Unterkunft selbst zu erwerben. Wer sich dazu entschließt, muss einiges wissen - und sich schnell entscheiden.

Von Andrea Nasemann

Um das sogenannte Vorkaufsrecht kursieren immer wieder Gerüchte. Viele Mieter denken, dass sie automatisch ein Vorkaufsrecht haben, wenn ihre Wohnung verkauft wird. In der Tat kann es für Eigentümer sinnvoll sein, zuerst den Mieter zu fragen, wenn man sich mit Verkaufsplänen trägt. Doch nur, wenn ganz bestimmte Voraussetzungen vorliegen, gibt es ein gesetzliches Vorkaufsrecht für den Mieter.

Vor allem in den Städten kommt es vor, dass ein ganzes Mietshaus in Eigentumswohnungen umgewandelt wird. Der Eigentümer kann dann die einzelnen, in sich abgeschlossenen Wohnungen, separat verkaufen. In diesem Fall sind die Mieter geschützt. Sie haben die Möglichkeit, in einen Kaufvertrag mit einem Dritten einzutreten und anstelle des Käufers die Wohnung zu erwerben. "Der Vorkaufsberechtigte kann den Käufer verdrängen, hat aber keinen Einfluss auf den Inhalt des Kaufvertrags", sagt der Münchner Rechtsanwalt Michael Koch. Der Mieter müsse den Kaufvertrag zu den Bedingungen übernehmen, die zwischen dem Eigentümer und dem Dritten ausgehandelt wurden.

Geht die Wohnung an Familienangehörige, haben Mieter das Nachsehen

Allerdings klappt es nicht immer mit dem Vorkaufsrecht. Das musste ein Mieter erfahren, der glaubte, das Vorkaufsrecht sei ihm vorenthalten worden. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs kommt es entscheidend darauf an, ob der Kaufvertrag vor oder nach Eintragung der Teilungserklärung im Grundbuch geschlossen worden ist (BGH, Urteil vom 6. 4. 2016, VIII ZR 143/15). Nur wenn die Teilungserklärung vor dem notariellen Kaufvertrag ins Grundbuch eingetragen wird, besteht für den Mieter ein Vorkaufsrecht, doch das war hier nicht der Fall, der Mieter hatte das Nachsehen.

Kein Vorkaufsrecht liegt auch dann vor, wenn der Vermieter die Wohnräume an einen Angehörigen seines Haushalts oder an einen Familienangehörigen verkauft oder verschenkt. Mit einer Ausnahme: Der Beschenkte verkauft die Wohnung wieder. In diesem Fall hat der Mieter doch wieder ein Vorkaufsrecht.

Wenn ein Mietshaus umgewandelt und die Wohnung verkauft wurde, muss der Vermieter den Mieter darüber genau ins Bild setzen. "Nur wenn der Mieter weiß, was im Kaufvertrag steht, kann er sich entscheiden, ob er die Wohnung zu diesen Bedingungen erwerben will", sagt Anja Franz vom Münchner Mieterverein. Ein Hauptpunkt für den Mieter ist natürlich die Höhe des ausgehandelten Kaufpreises.

Verletzt der Vermieter diese Informationspflicht, kann er sich schadenersatzpflichtig machen und muss möglicherweise Schäden ersetzen, die dem Mieter dadurch entstanden sind, dass er die Wohnung nicht kaufen konnte. Nach einem BGH-Urteil muss der Vermieter unter Umständen sogar die Differenz zwischen dem erzielten Preis und einem höheren Verkehrswert der Wohnung bezahlen (Urteil vom 21. Januar 2015, VIII ZR 51/14).

In einem anderen Fall hatte ein Eigentümer mehrere Wohnungen in einem Paket verkauft. Um zu verhindern, dass die Mieter ihr Vorkaufsrecht ausüben, wurde der Kaufpreis der Wohnung besonders hoch festgesetzt. Die Mieter übten dennoch ihr Vorkaufsrecht aus. Folge: Der BGH entschied, dass der Kaufvertrag zustande gekommen sei - und zwar zu einem niedrigeren Kaufpreis (Urteil vom 15. Juni 2005, VIII ZR 271/04).

Viel Zeit bleibt dem Mieter für die Entscheidung, ob er sein Vorkaufsrecht ausüben will, allerdings nicht: Es steht ihm nur zwei Monate ab der Mitteilung des Vermieters über die Verkaufsabsichten zu. Hat sich der Mieter zum Kauf entschlossen, kann er in den Vertrag eintreten; das muss dem Eigentümer schriftlich mitgeteilt werden. Wichtig zu wissen: "Das Vorkaufsrecht kann nur beim ersten Verkauf nach der Umwandlung ausgeübt werden", erklärt Rechtsanwalt Michael Koch. Kein Vorkaufsrecht hat daher ein Mieter, der keine Mietwohnung im Mehrfamilienhaus, sondern schon eine Eigentumswohnung angemietet hat. "Dann ist der Mieter nicht während seiner Mietzeit von der Umwandlung betroffen, so wie es das Gesetz vorsieht", sagt Koch.

Es kommt übrigens gar nicht so selten vor, dass das Vorkaufsrecht unterlaufen wird. "Wird der Käufer im Grundbuch eingetragen, ist er abgesichert, bevor der Mieter seine Entscheidung getroffen hat", warnt Anja Franz. Ihm blieben dann allenfalls Schadenersatzansprüche gegenüber dem Vermieter. Ist der Käufer dagegen noch nicht im Grundbuch eingetragen, kann der Mieter durch eine einstweilige Verfügung verhindern, dass Verkäufer und Käufer vollendete Tatsachen schaffen.

© SZ vom 01.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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