Vertikaler Garten:Salat von der Empore

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Flachwurzelndes Gemüse lässt sich besser "stapeln" als tiefwurzelndes: Für Hochbeete geeignet sind unter anderem Kräuter, Salat und Tomaten. (Foto: Lukas Barth)

Besonders in Städten wachsen Beete nach oben statt in die Breite, weil wenig Platz zur Verfügung steht.

Von Jochen Bettzieche

Irgendwann stößt jeder Gärtner an seine Grenzen. Der eine am Gartenzaun, der andere an der Balkonbrüstung. Für weitere Projekte gibt es dann nur noch eine Richtung: nach oben. Damit befindet sich der Hobbygärtner in bester Gesellschaft. Vertikales Gärtnern liegt im Trend. Witzige und trickreiche Bauten ermöglichen den Pflanzen auf mehreren Etagen Wachstum. Vor allem in Städten und in Gegenden mit hohen Grundstückspreisen und entsprechend kleinen Gartenflächen ist dies die einzige Lösung. Ob Balkon, Dachterrasse oder Minigarten - wer seine Pflanzen stapelt, gewinnt Platz und steigert bei Nutzpflanzen die Gesamternte.

Auch der Einzelhandel hat den Trend erkannt, und viele Geschäfte bieten vorgefertigte Elemente für vertikales Gärtnern an. Mit Zeit, Muße und ein wenig Erfindungsreichtum oder einer Anleitung können Hobbyhandwerker jedoch ihre eigene Anlage bauen. Aus einer einfachen Europalette und einigen Streifen Teichfolie wird in 30 bis 45 Minuten ein preiswertes vertikales Beet, etwa für Küchenkräuter. Wichtig ist, die Pflanzen an die richtige Stelle zu setzen. "Feuchtigkeitsliebende Kräuter nach unten, trockentolerante Sonnenanbeter nach oben, und der Rest in die goldene Mitte", rät Gartenbauwissenschaftler Folko Kullmann in seinem Buch "Garten-Projekte für Selbermacher", das im BLV-Verlag erschienen ist.

Beliebt sind Regenrinnen, in denen sich Erdbeeren oder Blumen züchten lassen

Beliebt sind auch Regenrinnen, entweder ausrangiert oder aus dem Baumarkt. Sie werden mit Erde befüllt und bepflanzt. Mehrere Rinnen übereinander, und für Blumen, Erdbeeren und Salate ist auf wenig Grundfläche viel Platz. "Wegen des geringen Erdvolumens muss regelmäßig gewässert werden", rät Kullmann.

Wem das bereits zu viel Bastelarbeit ist, der findet unter Umständen im Keller oder auf dem Speicher geeignete Pflanzvorrichtungen. Alte Trittleitern, ausrangierte Schuhaufhänger, nicht mehr benötigte Handtuchkörbchen aus der Gästetoilette und, und, und. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Eine Klasse für sich sind lebende Wandbilder. Hier werden Pflanzen in der Horizontalen in einen Kasten gesetzt, der anschließend an die Wand geschraubt wird. Einige Hersteller bieten eigens solche Kästen an, teils mit Bewässerungssystem im Rahmen. Ein herkömmlicher Setzkasten tut es aber auch. Damit das lebende Bild ein Erfolg wird, empfiehlt Cornelia König, Geschäftsführerin von Meißner Gartengestaltung - Gärtner von Eden in Garbsen (Niedersachsen), die Pflanzen unter idealen Bedingungen sechs bis sieben Wochen in der Horizontalen vorzuziehen: "Die Pflanzen tun sich schwer, gleich in der Vertikalen loszulegen."

Gemüsesorten wie Erbsen und viele Bohnenarten wiederum sind schon von Natur aus für vertikales Gärtnern geeignet. Sie benötigen lediglich ein Rankgitter, an dem sie sich nach oben ziehen. Ähnlich verhält sich das bei Spalierobst. Letzteres eignet sich insbesondere für Hausbesitzer. Sie können an ihren Außenwänden zum Beispiel Apfel- oder Birnbäume emporziehen. Im Laufe der Jahre verschwindet die Hauswand dann hinter einer Blätterwand.

Pflanzen in Hochbeeten muss man häufig gießen und mit Nährstoffen versorgen

Insbesondere im gewerblichen Bereich werden Hauswände aber immer öfter auch von Profis begrünt. Ähnlich den kleineren, lebenden Bildern für den Hausgebrauch entstehen so hübsche Fassaden. "Baubehörden erkennen die Wände in vielen Fällen beziehungsweise nach Absprache als grüne Ausgleichsflächen an", nennt König einen zusätzlichen Vorteil.

Allerdings weist sie auf eine Schwierigkeit hin, die auch Hobbygärtner beachten sollten: die Statik. Denn wer in die Höhe gärtnert, vergisst leicht diesen wichtigen Punkt. "Erde plus Wasser plus Pflanzen, das wiegt schon einiges", gibt König zu bedenken. Bei Balkonen von einem Quadratmeter Grundfläche sei dieser Aspekt zwar noch vernachlässigbar. Bei größeren Stellflächen oder Fassaden spiele er aber schon eine Rolle. Im Zweifelsfall sollte der Gärtner einen Statiker um Rat fragen.

Wichtig ist auch, geeignete Pflanzen zu wählen. Tiefwurzler gedeihen auf wenigen Zentimetern Erdschicht nur schwerlich. Prinzipiell gut eignen sich Kräuter, Salate, Tomaten, Erdbeeren und ähnliches Obst oder Gemüse, wenn es ein vertikaler Nutzgarten werden soll. Einige Blumen dazwischen locken Bestäuber wie Bienen an. Reine Blumenbeete sind aber auch möglich.

Bei der Planung sollten Gärtner auch berücksichtigen, wie die Pflanzen gegossen werden. Weil sie nur wenig Erde zur Verfügung haben, muss man umso häufiger mit der Gießkanne anrücken. Außerdem sollten dem Boden regelmäßig zusätzliche Nährstoffe zugeführt werden. Eine Erleichterung sind automatische Gießsysteme. Aber Vorsicht, wenn der Frost kommt: Wer Schläuche und Rohre nicht rechtzeitig entwässert, riskiert, dass sie platzen.

Der Bedarf an vertikalen Gärten variiert von Region zu Region. Die Nachfrage in Städten ist tendenziell höher, hat König beobachtet: "Auf dem Land haben die Leute oft einfach einen schönen, großen Garten in der Horizontalen."

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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