Vereinigte IKK:Rezept für den Tod

Lesezeit: 2 min

Wer Glück hat, dem wird nur übel. Wer Pech hat, stirbt: Die Vereinigte IKK empfiehlt ihren Versicherten Pilze. Dummerweise ist einer giftig.

Melanie Ahlemeier

"Rehkeule mit Waldpilzen in Blätterteig mit Pfefferkirschen": Die Vereinigte IKK gibt sich verbrauchernah, modern und ermuntert ihre Versicherten zum Kochen. Herbstzeit ist Pilzzeit - was liegt da näher, als ein schmackhaftes Stück Fleisch mit selbst gesammelten Pilzen zuzubereiten? Die Krankenkasse liefert das komplette Rezept gleich mit, und auch die heimischen Pilze werden direkt neben der Kochanleitung vorgestellt.

Von der Vereinigten IKK angepriesen, aber leider giftig: der Grünling. (Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Steinpilz, Espenrotkappe und Grünling - in Bildern und sechs Unterpunkten gibt die Vereinigte IKK Nachhilfe in Sachen Pilzkunde. Zum Geschmack des Grünlings (Blätterpilz) heißt es: "Mild und wohlschmeckend." Nur: Der Grünling ist giftig.

Ein Rezept für den Tod - für lau und mit freundlicher Empfehlung der Krankenkasse? Ganz schön peinlich! Anfang September hatte die Vereinigte IKK ihre Zeitschrift Aktiv und gesund an einen Teil ihrer Versicherten verschickt und darin den Grünling als essbar bezeichnet. Jetzt erhielten die Mitglieder schon wieder Post - einen Giftbrief.

Von "Gefahren für Leib und Leben" ist die Rede, vor dem Verzehr des Pilzes wird dringend gewarnt. "Bei bestimmten, empfindlichen Menschen kann der Grünling Vergiftungen hervorrufen, die potentiell lebensgefährlich sein können", schreibt die IKK ihren Mitgliedern, und listet im Anschluss die Symptome einer Vergiftung auf: "Müdigkeit, Muskelschwäche mit Muskelschmerzen insbesondere in den oberen Extremitäten (etwa 24 bis 72 Stunden nach der letzten Mahlzeit), Gesichtserythem, geringe Übelkeit ohne Erbrechen und Schweißausbrüche". Außerdem könne der Grünling leicht mit dem giftigen Grünen Knollenblätterpilz verwechselt werden, schreibt die IKK weiter. Auch das noch, Mahlzeit!

Lange galt der Grünling als essbar, doch vor knapp zehn Jahren wurde er aus der Küche verbannt. In Frankreich kam es im Zeitraum zwischen 1992 und 2000 zu zwölf schweren Vergiftungen mit schwerem Muskelzerfall (Rhabdomyolyse), drei Menschen starben, weiß das Bundesinstitut für Risikobewertung zu berichten.

Knapp 700.000 Mal wurde der Grünling via Kassen-Zeitschrift als Speisepilz empfohlen. Gibt es aktuelle Vergiftungsfälle? "Uns sind bisher keine Fälle bekannt", heißt es bei der Vereinigten IKK.

Die externe Agentur, die im Auftrag der Kasse das Heftchen erstellt und verschickt hatte, zog personelle Konsequenzen. "Die betreffende Mitarbeiterin ist nicht mehr für die Redaktion der Aktiv und gesund tätig", weiß die IKK. Zu den Kosten für die kürzlich verschickten Anschreiben an ihre Mitglieder hingegen schweigt die Krankenversicherung. Derzeit werde juristisch geprüft.

Zur Pilztour in die Wälder empfiehlt die IKK die Mitnahme eines Pilzbestimmungsbuches. Vielleicht hätte die Krankenkasse einfach selbst mal nachschlagen sollen.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: