USA:Riesen auf Schrumpfkurs

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Halten oder doch besser verkaufen? Investoren grübeln derzeit, was sie mit ihren Immobilien in den USA am besten machen sollen. (Foto: Angela Weiss/AFP)

Immobilien in den USA sind begehrte Investments. Doch große Investoren wie Pensionsfonds haben Zweifel, dass die positive Entwicklung noch lange anhalten wird. Sie beginnen, Häuser zu verkaufen.

Von Christine Mattauch

Ein Raunen geht durch den Saal, als Will McIntosh seine Prognose für die amerikanische Wirtschaft verkündet: Er schätzt das Wachstum für das Jahr 2020 auf nur 1,3 Prozent und sieht Rezessionsgefahr. Der Research-Chef der renommierten Investmentberatung USAA Real Estate ist damit noch skeptischer als der Internationale Währungsfonds. Für die Immobilienprofis beim "American Afternoon" auf der Messe Expo Real in München war das in dieser Woche keine gute Nachricht.

Prognosen wie diese treffen umso härter, als das Interesse der Branche an Kapitalanlagen in den USA unvermindert groß ist. Die Veranstaltungen zum amerikanischen Immobilienmarkt auf der Expo waren überfüllt, und laut einer Umfrage der Auslandsinvestorenvereinigung Afire sahen etwa drei Viertel der Mitglieder den Kontinent unverändert oder sogar optimistischer als 2017. Der "Trump-Schock", im vergangenen Jahr deutlich spürbar, scheint überwunden zu sein. "Die globalen Spieler vergleichen Risiko- und Ertragsprofile der einzelnen Länder und sehen die USA nach wie vor als sicheren Hafen", sagt Robert Stamm, Executive Managing Director USA der Immobilienberatung Colliers International.

Viele Bürogebäude und Wohnhäuser sind so teuer, dass sie kaum Renditen bringen

Allerdings macht die Politik des amerikanischen Präsidenten deutschen Investoren die Entscheidung für ein Engagement jenseits des Atlantiks nicht gerade leicht. Seine Steuerreform geht an ihnen in der Regel vorbei: "Die Auswirkungen sind minimal", bestätigt Patrik Heidrich, US-Experte bei der internationalen Steuerberatung Baker Tilly. Dafür belastet der Handelsstreit mit Europa und China die längerfristigen Perspektiven - symbolisch steht dafür die Ankündigung der Motorradfirma Harley-Davidson, einen Teil der Produktion ins Ausland zu verlagern.

Derzeit wächst die amerikanische Wirtschaft kräftig, die Arbeitslosenquote liegt unter vier Prozent. Die Steuerreform wird Konsum und Inflation zusätzlich antreiben. Die Konsequenz sind höhere Zinsen, Staatsanleihen werden attraktiver, und der Dollar steigt. Für deutsche Immobilienfonds bedeutet das, dass die Kosten für Währungsabsicherung steigen - was wiederum auf die Gewinne drückt. Ohnehin ist der amerikanische Markt im sogenannten Core-Segment - langfristig gut vermietete Immobilien in besten Lagen - derart überkauft, dass die Renditen historisch niedrig liegen.

Soll man also noch in den USA investieren? Im September hat die Münchner Fondsgesellschaft US Treuhand einen neuen Fonds aufgelegt, eine Beteiligung an einem Bürogebäude in Las Vegas, Mindestanlage 30 000 Euro, geplante Ausschüttung von 2019 an jährlich fünf Prozent. Oder ist es besser, Kasse zu machen? Die Hamburger Union Investment hat gerade ein im Juli 2008 erworbenes Bürogebäude in San Diego abgestoßen, Leerstand 16 Prozent, diverse Einzelmieter. Der Preis, über den Stillschweigen vereinbart wurde, soll über dem Sachverständigenwert gelegen haben. Aber gleichzeitig hat Union Investment auch eingekauft, zum Beispiel ein Bürohaus in Dallas, Baujahr 2017 und komplett vermietet an eine Hypothekenbank. Einfache Antworten gibt es also nicht.

Mehr denn je komme es auf den Mikromarkt an, findet Sylvia Gross, Geschäftsführerin der New Yorker Investmentfirma HQ Capital, die vornehmlich für deutsche Anleger tätig ist. "Man muss genau hinsehen. Wie gut ist die Infrastruktur, wie stabil sind die Einkommen, gibt es lokale Arbeitgeber?" Im Sommer hat ihre Firma ein Mietshaus in Gwinnett County nördlich von Atlanta gekauft. Mehrfamilienobjekte in stabilen Randlagen, das ist aus ihrer Sicht eine der Nischen, in der man noch etwas mehr Rendite erwirtschaften kann als in den überkauften Zentren. Peter Merrigan hingegen, CEO der Taurus Investment Holdings in Boston, setzt auf Industrie- und Logistikimmobilien. Hier sieht auch die Maklervereinigung NAR eine stetig steigende Nachfrage, die ohnehin niedrige Leerstandsquote von 7,7 soll binnen zwei Jahren weiter auf 6,7 Prozent zurückgehen. Andere empfehlen mit Blick auf die in die Jahre kommende Babyboomer-Generation Seniorenwohnungen oder Ärztehäuser. Und all das am besten in wachsenden Regionen. Orlando wird genannt, Austin oder auch San Bernardino.

Und dann gibt es ja noch Nachbarland Kanada, das sich als Investitionsstandort zu profilieren versucht. Mit den guten Handelsbeziehungen ihres Landes zu Europa, den pazifischen Staaten und - seit der Revision des Freihandelsabkommens Nafta - auch wieder zu den USA gingen kanadische Fondsmanager auf der Expo regelrecht hausieren. Trotzdem ist Kanada für die meisten Investoren keine echte Alternative zur zehnmal so großen US-Wirtschaft.

Allein der größte Pensionsfonds hat fast 32 Milliarden Dollar in Immobilien investiert

Eine spannende Frage ist, wie sich Pensions- und Stiftungsfonds verhalten werden, wenn die Zinsen steigen. Sie müssen ehrgeizige Renditeziele erfüllen, sind aber auch sicherheitsorientiert und könnten umschichten. Schon im vergangenen Jahr rüttelte es die Branche auf, als das Wall Street Journal meldete, einzelne große institutionelle Anleger würden mehr Gewerbeimmobilien abstoßen als kaufen. Die "leisen Riesen", wie Robert Stamm sie nennt, bewegen enorme Beträge: Calpers aus Kalifornien, der größte Pensionsfonds, hat fast 32 Milliarden Dollar in Immobilien investiert, neun Prozent seines Gesamtkapitals. Bei Calstrs, dem zweitgrößten, sind es 29 Milliarden, das entspricht 13 Prozent. Die Fondsmanager wollen den Anteil jetzt auf zwölf Prozent reduzieren. In der Halbjahresanalyse 2018 von Calstrs wird die Chance eines Abschwungs auf dem amerikanischen Immobilienmarkt im kommenden Jahr mit 50:50 angegeben. Die Autoren raten, nur noch vereinzelt in Schnäppchen zu investieren und "nicht strategische" Anlagen zu verkaufen - um dann, wenn die Talsohle erreicht ist, wieder aufzustocken.

Es ist das, was man eine defensive Anlagestrategie nennt. Die empfahl auf der Expo Real auch Anthony Frammartino, Partner der Townsend Group in Cleveland, Ohio. "Sucht euch lokale Partner, die den Markt gut kennen, und Immobilien, die man schnell repositionieren kann oder die verlässlich Einnahmen bringen" - etwa durch gute Vermietung. Im besten Fall, so die Hoffnung, ließe sich ein Markteinbruch dann einfach aussitzen.

© SZ vom 12.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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