Urteile für Anleger:Banken vor Gericht

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Beim Anlegerschutz wird dieser Tage Rechtsgeschichte geschrieben: Mehrere Richter haben die Sparer gestärkt. Die Prozesse bleiben indes mühselig.

Markus Zydra

Voller Schadenersatz für einen Lehman-Anleger - das Landgericht Hamburg überrascht mit seinem Urteil gegen die Hamburger Sparkasse. Die Entscheidung hat besondere Qualität, weil erstmals das aktuelle Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Begründung herangezogen wurde.

Er hat ein wichtiges Urteil errungen: Der Haspa-Kläger Bernd Krupsky vor dem Landgericht in Hamburg während einer Mahnwache von Anlegern, die in Zertifikate der US-Bank Lehman Brothers investiert haben (Foto: Foto: dpa)

Nicht der Kunde, sondern die Bank müsse beweisen, dass sie nichts falsch gemacht hat, erklärt das Gericht mit Verweis auf den BGH. Beim Anlegerschutz wird dieser Tage Rechtsgeschichte geschrieben.

Deutsche Sparer sind aufgewacht. Jahrzehntelang haben sie den Anlageempfehlungen ihrer Hausbank vertraut. Doch die Institute haben hinter dem Rücken der Kunden mitverdient. So fließt beim Verkauf eines Aktienfonds rund die Hälfte der jährlichen Managementgebühr von der Fondsgesellschaft zurück an die beratende Bank.

Diese sogenannten Kickbacks oder Rückvergütungen sind das Rückgrat der Beratungsfinanzierung bei den Kreditinstituten. So geschehen im aktuellen Fall der Hamburger Sparkasse, die dem Kunden nicht mitteilte, wie viel sie an dem Verkauf der Lehman-Zertifikate verdiente. So geschehen über viele Jahre in Großbanken, Finanzvertrieben und Vermögensverwaltungen.

Das Verschweigen der Kickbacks ist keine Bagatelle. "Es besteht die konkrete Gefahr, dass die Bank Anlageempfehlungen nicht allein im Kundeninteresse abgibt, sondern auch in ihrem eigenen Interesse, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten", beschreibt der BGH den unlösbaren Interessenkonflikt.

Um das Problem mit diesen Provisionen besser zu verstehen, muss man sich nur in einen Patienten hineindenken, der vom Arzt ein bestimmtes Medikament verschrieben bekommt. Wenn der Kranke wüsste, dass der Mediziner von einem Pharmakonzern Geld dafür erhält, weil er dieses Präparat verschrieben hat, würde sich ein beängstigender Verdacht über die Beziehung zwischen Arzt und Patient legen. Womöglich hat der Arzt nicht das beste Medikament verordnet, sondern nur das, was die höchste Provision bringt? Vielleicht hätte man ja auch gar kein Medikament gebraucht?

Nun mag es Kunden geben, die eine Rückvergütung beispielsweise von 0,8 Prozent auf Aktienfonds für vernachlässigbar halten. Allerdings gehen diese 0,8 Prozent jedes Jahr von der Rendite des gezeichneten Wertpapiers ab, was durch den Zinseszinseffekt über die Jahre zu hohen Einbußen führt. Für die Verkäufer ist es ein Milliardengeschäft.

Haben die Filialen einer Großbank über die Jahre 20 Milliarden Euro in Aktienfonds geschleust, dann fließen bei 0,8 Prozent Kickback jedes Jahr 160 Millionen Euro Provision in die Bankenkasse. Insgesamt haben deutsche Sparer 591 Milliarden Euro in Publikumsfonds investiert. Es geht also um viel Geld, was erklären mag, warum Banken über Kickbacks früher nicht aufgeklärt haben.

Seit 1. November 2007 gilt in Deutschland die Mifid-Richtlinie, erst seit damals, so meinen die Banken, müssen sie die Rückvergütungen offenlegen. Das ist falsch. Im jüngsten BGH-Urteil verwiesen die Richter auf eine Richtlinie der deutschen Finanzaufsicht von 1997, in der eindeutig geregelt ist, dass der Kunde über die Kickbacks aufgeklärt werden muss.

Die Institute hat das bislang nicht geschert, auch weil viele unterinstanzliche Gerichte der Ansicht waren, der Sparer sei selbst schuld, wenn er sich über den Tisch ziehen lasse. Seit dem Jahr 2000 hat der BGH in vier Kickback-Urteilen mit immer größerer Klarheit das Drehbuch umgeschrieben. Es wirkt daher befremdlich, wenn Großbanken ihre Kunden trotz der klaren Worte aus Karlsruhe immer wieder mit langen Prozessen triezen. Auch die Hamburger Sparkasse will gegen das Lehman-Urteil in Berufung gehen. Wollten Banken wegen der Finanzkrise nicht neues Kundenvertrauen aufbauen?

Für Sparer bleibt die bedrückende Erkenntnis, dass es trotz der guten Rechtslage sehr mühsam ist, recht zu bekommen. Nur wenige spezialisierte Anwälte sind in der Lage, die Einzelfälle richtig aufzubereiten. Und selbst die besten von ihnen müssen mitunter Jahre für ihre Mandanten durch alle Instanzen gehen.

© SZ vom 24.06.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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