Unicredit-Chef Profumo:Der kleine Alessandro

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Lange Zeit stilisierte sich Unicredit-Chef Profumo als größter Banker Italiens - jetzt wird er Opfer von Hohn und Spott. Geschlagen gibt sich Profumo deshalb nicht.

Ulrike Sauer

Mitten im Börsensturz räumte Alessandro Profumo 308000 Euro vom eigenen Konto und kaufte Unicredit-Aktien. "Wenn ich nicht dran glaube, wer soll dann dran glauben?", fragte der angeschlagene Bankchef am Wochenanfang.

Starrer Blick voraus: Trotz des angeschlagenen Rufs gibt sich Profumo nicht geschlagen. (Foto: Foto: ddp)

Tja, wer glaubt jetzt noch an den Kreditkoloss Unicredit, den Profumo mithilfe von Übernahmen und Fusionen quer durch Europa errichtet hat? Die Aktie der Mailänder Bank verlor seit der demonstrativen Anlage Profumos am Montag nur noch mehr an Wert.

Erst die römische Regierung stoppte den Verfall am Donnerstag mit der Ankündigung, sie spanne für den Notfall ein Rettungsnetz unter den italienischen Banken aus. Da war es jedoch schon zu spät. Den Vorzeigebanker des Landes hatte die Finanzkrise längst von seinem hohen Sockel gestürzt.

Das Debakel von Unicredit hält Italien seit knapp seit zwei Wochen in Atem. Am Sonntag hatte sich Alessandro Magno, wie Bewunderer den hochgewachsenen und selbstgefälligen Konzernschmied einst nannten, auf seinen Gang nach Canossa begeben.

Den Großaktionären im Verwaltungsrat presste er eine Kapitalerhöhung um 6,6 Milliarden Euro ab. Das frische Geld soll den unterkapitalisierten Bankkonzern heil durch "den weltweiten Hurrikan" bringen. Doch die Börse verdaute den Schock der Kapitalerhöhung nicht, auch weil Profumo die Notwendigkeit bis zuletzt geleugnet hatte.

"Fußball-Toto am Montag"

Zugleich legte der Unicredit-Chef ein umfangreiches Schuldbekenntnis ab. "Aus heutiger Sicht wäre es vielleicht besser gewesen zu warten", sagt er nun zu seiner Einkaufstour in der ersten Hälfte vergangenen Jahres. Damals investierte Profumo viel, um eine Expansion weit über die Grenzen zu finanzieren.

Der Kaufrausch gipfelte in der Übernahme des politikhörigen römischen Geldinstituts Capitalia. Sicher, heute würde man all die Bankbeteiligungen billiger bekommen und stünde mit einer anderen Kapitalausstattung da, räumt Profumo nun ein. "Nur ist es einfach, am Montagmorgen Fußball-Toto zu spielen", sagt er.

Das ist nur einer der Irrtümer in einer Kette von Fehleinschätzungen gewesen, zu denen sich Profumo nun bekennt. Auf einer internationalen Finanzkonferenz in London übte er am Mittwoch erneut Selbstkritik. "Im Nachhinein muss ich sagen, dass die Kapitalerhöhung Anfang des Jahres hätte gemacht werden sollen." Dann hätte er jetzt nicht ein so ernsthaftes Glaubwürdigkeitsproblem.

Geschlagen gibt sich Profumo deshalb nicht. Als sich in den Mailänder Handelssälen in der vergangenen Woche hartnäckig Rücktrittsgerüchte hielten, erschien der Großbanker im Studio der Hauptnachrichtensendung TG1 in der ungewohnten Rolle des Prügelknaben und erklärte gezwungen: "Ich bin hier und trete nicht zurück."

So haben sich die Zeiten radikal geändert. Der 51-jährige Genuese war weithin für seinen Stolz und seine Härte bekannt. "Profumo will es so" war ein Argument, das in Mailand wie in München viele interne Diskussionen beendete. In Italien umjubelte man den selbstsicheren Erneuerer des heimischen Kreditgeschäfts geradezu, als er vor drei Jahren die Hypo-Vereinsbank kaufte. "Profumo über alles", titelten die Wirtschaftsblätter auf Deutsch.

Nun ergießt sich Spott über den 1,95 Meter großen Manager. "Alessandro il Mignon", höhnt man: Alessandro, der Kleine. Und die Zeitungen drucken Fotos, auf denen Profumo mit gesenktem Kopf auf dem Sofa sitzt und sich die müden Augen unter der hochgeschobenen Brille reibt.

Berlusconis Abneigung

Die Demontage hat seinen Status im Finanzsystem jenseits der Alpen verändert. Stets hatte der Unicredit-Chef versucht, sich abzuheben von dessen eng verbandeltem Establishment. Er setzte sich für "die Ausweitung der Grenzen der Marktkultur" ein und erkor die Wertschöpfung zu seinem "Polarstern". Wohlgemerkt nicht die Gewinnmaximierung. In seinem Geschäftsmodell war kein Platz für Mauscheleien und Politikhörigkeit.

Kohärent mit diesem Credo hielt Profumo sich fern von Orten, an denen die Finanz in Italien zum Instrument der Macht wird. Von Zeitungshäusern beispielsweise. Und zumindest kohärent war auch der Versuch, Unicredit mit der Kapitalerhöhung aus eigenen Kräften in Sicherheit zu bringen.

Nun bietet Silvio Berlusconi der Bank für den Notfall die Hilfe der Regierung an. Den Premier und den gefallenen Starmanager verbindet tiefe Abneigung. Die Zeiten der Selbstherrlichkeit sind für Profumo aber vorbei. Er muss von nun an mehr auf seine Großaktionäre hören, die italienischen Sparkassenstiftungen, und auf seinen mächtigen Gegenspieler Cesare Geronzi, Chef der Mailänder Geschäftsbank Mediobanca, die die Geldspritze für Unicredit organisiert.

Von seinen Überzeugungen rückte er nicht ab. "Dass die Marktwirtschaft keine große Vorstellung abgegeben hat, steht außer Zweifel. Aber dass die Rückkehr des Patrons Staat eine Lösung des Problems ist, bezweifle ich", sagt er. Man mache allein schon genug Fehler.

© SZ vom 10.10.2008/ld/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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