Umweltschutz:Wehe, wenn der Biber kommt

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Wenn gebaut wird, muss Natur weichen. (Foto: Volker Emersleben/Deutsche Bahn)

Ökologische Baubegleiter helfen, Projekte umweltschonend umzusetzen. Große Nagetiere machen besondere Probleme.

Von Stefan Weber

Da ist zum Beispiel dieses eine Projekt der Deutschen Bahn in Oberfranken. Die genaue Ortsbezeichnung tut nichts zur Sache. Auf den ersten Blick ein unkompliziertes Vorhaben - es geht um die Anbindung einer mittelgroßen Stadt an das Hochgeschwindigkeitsnetz. Gut sechs Kilometer Strecke, Schotteroberbau, zweigleisiger Gleisbau, Weicheninstallation, Kabelverlegung - das Übliche, was bei Projekten dieser Art zu tun ist. Und doch unterscheidet sich diese Baumaßnahme vom gewöhnlichen Tagesgeschäft der DB-Streckenplaner. Denn das Gelände im Süden der anzubindenden Stadt hat eine bunte Fauna. Vermutet werden Fledermäuse, Schlingnattern und Zauneidechsen, womöglich hausen dort auch Biber. Das macht die Gleisbauarbeiten kompliziert. Alle diese Tiere gehören zu den geschützten Arten und müssten im Falle eines Falles durch spezielle Zäune abgegrenzt oder gleich in Ersatzhabitate umgesiedelt werden.

Für Peter Drecker sind solche Herausforderungen Alltag. Der Landschaftsarchitekt ist Inhaber eines Planungsbüros mit Standorten in Bottrop, Hannover und Halle an der Saale, das unter anderem eine sehr spezielle Dienstleistung anbietet: umweltfachliche Bauüberwachungen. Die Begrifflichkeiten sind nicht ganz eindeutig, manchmal ist in der Branche für diese Tätigkeit auch von "ökologischer Baubegleitung" die Rede, oft auch von "Umweltbaubegleitung". Der Anspruch an die Arbeit von Drecker oder Kollegen ist dagegen sehr klar: Sie haben darauf zu achten, dass bei Bauvorhaben alle gesetzlichen Umweltvorschriften, Normen und Regelwerke sowie besondere naturschutzrechtliche Vorgaben eingehalten werden. So lässt sich das Risiko minimieren, dass es im Zuge einer Baumaßnahme zu Umweltschäden kommt - die aus Sicht des Bauherrn immer auch mit Kosten, Zeitverzögerungen und nicht zuletzt Kratzern an der eigenen Reputation verbunden sind.

Die Bedeutung der Disziplin "Umweltfachliche Bauüberwachung" hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Das gilt zum einen für das Einsatzgebiet. "Früher ging es ausschließlich um die Schutzgüter Pflanzen, Tiere, biologische Vielfalt sowie Wasser und Böden in grundsätzlichen Bearbeitungstiefen. Heute sind auch Fragen zum Schall oder zu belasteten Böden und Gewässeranalysen zu beantworten", betont Drecker. Hinzu kommt, dass sich seit Einführung des Umweltschadensgesetzes im Jahr 2007 in Genehmigungsbescheiden oder Baugenehmigungen zunehmend Auflagen finden, die eine Umweltbaubegleitung fordern. Das betrifft nicht nur große Infrastrukturprojekte etwa der Deutschen Bahn oder Energietrassen, sondern immer häufiger auch kleinere Bauvorhaben unterschiedlicher Bauträger.

Drecker beschäftigt an seinen drei Standorten knapp 40 Mitarbeiter. Umweltfachliche Bauüberwachungen machen knapp ein Drittel seines Geschäfts aus. "Der Anteil könnte deutlich höher sein, aber an vielen Ausschreibungen beteiligt sich unser Büro nicht mehr, weil wir nicht genügend qualifizierte Kräfte haben, um mögliche Aufträge abzuarbeiten. Ökologische Bauüberwachung ist ein Mangelberuf", sagt Drecker. Eine klassische Ausbildung gibt es nicht. Wer in diesem Bereich tätig ist, verfügt entweder über die Kernkompetenz Bauen / Baufachverständnis und hat sich im Bereich Ökologie / Landschaftsarchitektur weitergebildet - etwa an der Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur der Hochschule Osnabrück oder in Seminaren, die unter anderem die Bahn anbietet. Oder die ökologischen Baubegleiter sind von Haus aus Landschaftspfleger, Biologen, Geografen oder Forstwirte und haben Zusatzqualifikationen im Bereich Bauen erworben.

"Wichtig ist, dass es schnell geht, denn ein längerer Baustopp ist teuer"

Die Umweltbaubegleitung beginnt nicht erst, wenn die ersten Bagger an die Baustelle rollen, sondern im Idealfall bereits sehr viel früher - bei der Vorbereitung eines Bauvorhabens. "In bestimmten Fällen ist es zwingend notwendig, ein Projektgebiet vorab zu begehen. Sobald der Verdacht besteht, dass dort geschützte Arten vorkommen, gilt es, gleich ein Notfallprogramm zu erstellen und dies mit Biologen abzustimmen", erläutert Drecker. Vor Baubeginn listen die Umweltexperten in einem Leitfaden die wichtigsten zu beachtenden Punkte auf, etwa zum Boden- und Naturschutz oder - seit einigen Jahren immer wichtiger - zu Staub- und Lärmimmissionen. Zudem erläutern sie Schutzgebiete und Tabuzonen sowie erforderliche Schutzmaßnahmen. Zum Beispiel Vergrämungsaktivitäten, also Maßnahmen, um Tiere fernzuhalten, etwa durch eine niedrige Vegetation.

Während der Bauphase sind die Umweltexperten mindestens ein- bis zweimal in der Woche vor Ort. Sie prüfen, ob die umweltrechtlichen Vorgaben eingehalten werden, achten darauf, wo Baumaterial gelagert wird, und begleiten Rodungsmaßnahmen. Die ökologischen Sachverständigen haben in der Mehrzahl der Fälle jedoch keine Weisungsbefugnis. "Wir möchten nicht als Störer oder Polizisten wahrgenommen werden, die nur streng kontrollieren und Verstöße kleinlich auflisten. Wir wollen Fachkräfte sein, die helfen, ein Bauprojekt in schwierigem Gelände umzusetzen", betont Drecker. Deshalb sei es wichtig, viel mit den Leuten auf der Baustelle zu reden. Mit dem Lastwagenfahrer, der versehentlich oder absichtlich abseits der Straße gefahren ist, oder dem Bauleiter, der bei vermeintlich kleinen Sünden gegen die Ökologie vielleicht manchmal nicht so genau hinschaut. Kompliziert kann es werden, wenn die Experten "unerwartete artenschutzrechtliche Sachverhalte" registrieren - wenn also geschützte Tiere auf der Baustelle auftauchen.

Besonders ungern gesehen sind Biber. Denn die Nagetiere lassen sich nicht so leicht umsiedeln. Viel Zeit zu überlegen haben die Umweltsachverständigen in solchen Fällen nicht. Sie müssen rasch Vorschläge präsentieren, wie mit dem "Problem Biber" zu verfahren ist. Zäune wären eine Lösung. Oder die Umleitung von Bächen, in denen sich die Tiere tummeln. "Wichtig ist, dass es schnell geht, denn ein längerer Baustopp ist teuer", betont Drecker.

Und wenn der Lkw-Fahrer doch einmal versehentlich über empfindliche Baumwurzeln gefahren ist oder der Bagger abseits der vorgesehenen Route quer durchs Gelände gepflügt ist? Lässt sich da ein Auge zudrücken? "Wichtig ist, solche Vorfälle mit Fotos zu dokumentieren und ein Umwelt-Bautagebuch zu führen. Denn wenn irgendetwas schiefgeht, will es keiner gewesen sein", betont Drecker. Wegsehen könnten sich die ökologischen Baubegleiter nicht leisten, denn es gebe immer eine "anonyme Bauüberwachung" durch aufmerksame Bürger oder Umweltschützer, die Baustellen in kritischem Gelände regelmäßig begutachteten.

© SZ vom 28.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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