Ian Sayer wurde im Oktober 1945 im englischen Norwich geboren - nur wenige Monate nach der Kapitulation von Nazi-Deutschland. Er selbst sieht sein Geburtsdatum nicht als symbolisch an. Doch die Faszination der damaligen Zeit lässt den mittlerweile grauhaarigen Mittsechziger nicht los. Sayer ist ein Schatzsucher, der nicht mit dem Spaten in der Hand loszieht. Er hält ohnehin nicht viel von Abenteuerlegenden.
Die Berliner Reichsbank soll einmal einen Goldschatz im Wert von 3,9 Milliarden Dollar gehortet haben. Große Teile sind verschollen. Das Archivbild zeigt das ehemalige Reichsbank-Gebäude im Jahr 1996.
(Foto: Archivbild: dpa)Sayer setzt vor allem seinen Sachverstand als erfahrener Historiker ein, um in alten Archiven nach dem Gold der ehemaligen Reichsbank zu fahnden. Für Sayer ist dies zu einer Lebensaufgabe geworden. Er hat Jahrzehnte für seine Recherchen gebraucht, ist um die halbe Welt gereist, um dem Edelmetall auf die Spur zu kommen. Das Ergebnis seiner Arbeiten ist mittlerweile auch eines der größten privaten Archive über den Zweiten Weltkrieg mit mehr als 100.000 Büchern, Briefen und amtlichen Dokumenten.
Zwei Goldbarren in britischen Tresoren
Sayer forscht über das Gold, das die Nazis auf ihren Raubzügen quer durch Europa zusammengerafft und in ihrem Rassenwahn vor allem auch jüdischen Opfern abgenommen hatten. Für die Kriegswirtschaft wurde das Gold, das in den Tresoren der Reichsbank in Berlin lagerte, unter anderem zur Devisenbeschaffung eingesetzt. Bis heute ist nach Meinung von Historikern jedoch nicht vollständig geklärt, wo der braune Goldschatz in den Nachkriegswirren schließlich landete.
Sayers größter Triumph war es, als er 1997 nach intensiven Recherchen zwei Goldbarren der Reichsbank in den Tresoren der britischen Notenbank aufstöberte. In einer Erklärung teilte die Notenbank mit, dass sie noch kleinere Goldbestände im Auftrag der "Tripartite Commission" halte. Das war eine von den westlichen Siegermächten gegründete Kommission, die das geraubte Gold an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgeben sollte.
Darunter waren nun auch die von Sayer gefundenen zwei Barren mit dem Stempel der staatlichen preußischen Münze von 1938 und einer späteren Gravur der westdeutschen Firma Degussa aus dem Jahre 1958. Nach Angaben der Bank of England (BoE) hatte die Bundesbank die beiden Stücke übergeben.
336 Tonnen Edelmetall
Trickreicherweise ist die Jahresangabe 1938 von den Nazis bei der Umschmelzung der Barren gefälscht worden. Sie wollten dadurch verbergen, dass das Gold 1942 aus der französischen Staatsbank entnommen wurde. Ursprünglich gehörte das Edelmetall der belgischen Notenbank, die es vor der Besetzung des Landes 1940 durch die Deutschen nach Paris schickte, um es in Sicherheit zu bringen.
Die Tripartite Commission hat 1998 ihre Arbeit für beendet erklärt. 64 Prozent der Ansprüche von geschädigten Staaten seien befriedigt worden, hieß es. Dabei handelte es sich um insgesamt 336 Tonnen Edelmetall. Die Kommission räumte allerdings ein, dass auch künftig immer noch Raubgold der Nazis auftauchen könne. Laut der Bank of England werden die beiden Goldbarren nicht mehr in London aufbewahrt. Wo das Gold derzeit liegt, wollte der Bank-Sprecher nicht sagen.
Auf der nächsten Seite: Der beharrliche Brite - Ian Sayer begann früh damit, eine Leidenschaft fürs Sammeln zu entwickeln. Bei seiner Bestandsaufnahme hinderten ihn zahlreiche Nazi-Legenden.