SZ-Serie: Reden wir über Geld:"Kein Geld macht unglücklich"

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Der Ex-Pfarrer und heutige Börsenexperte Uwe Lang äußert sich über den Reiz des Mammons auch für Gläubige und darüber, warum Reiche in den Himmel kommen.

S. Boehringer und A. Hagelüken

Uwe Lang, 65, war evangelischer Pfarrer. Dann fing er an, über die Börse zu schreiben - und gab mit 50 Jahren seinen Pfarrersjob auf, um hauptberuflich Aktientipps zu verbreiten. Ein Gespräch über Gott und das Geld, Anlageerfolge ohne Rüstungsaktien, warum Jesus vieles für möglich hält, und was Eheprobleme mit den Finanzen zu tun haben.

"Die Börse ist wie Schach." Der Börsenexperte und frühere Pfarrer Uwe Lang. (Foto: Foto: Swissinvest)

SZ: Herr Lang, viele Menschen rücken im Alter nach links. Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler etwa ging zu Attac. Sie dagegen gaben 1992 ihren Job als evangelischer Pfarrer auf, um ausgerechnet Börsenbücher zu schreiben. Wie kam das? Viele religiös Bewegte lehnen ja den Mammon ab.

Lang: Es war ein strategischer Reiz. Die Börse ist wie Schach. Ich schrieb ein Buch, bei dem es zu 14 Auflagen kam. Daraufhin gab ich auch Börsendienste heraus. Es war mal eine Abwechslung.

SZ: Sind Sie über die Jahre konservativ geworden?

Lang: Nein. Ich bin seit 1971 Mitglied der SPD und gedenke es auch zu bleiben.

SZ: Und wenn Sie an der Börse reich werden? "Eher kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel", heißt es in der Bibel.

Lang: Jesus sagt auch: Bei Gott sind alle Dinge möglich. Das kommt gleich anschließend an den Satz, den Sie zitieren. Theologen sind Geld gegenüber nicht so kritisch, wie manche meinen. Was Jesus angeprangert hat, war die Geldgier.

SZ: Jesus warf die Geldwechsler aus dem Tempel. Was würde er zur Finanzkrise sagen, zu den Gehältern der Topmanager?

Lang: Jesus würde wahrscheinlich ähnliches sagen wie ich in meinen Büchern - und monieren, dass sich die Topmanager das Geld einfach nehmen. Sie sitzen gegenseitig in ihren Aufsichtsräten und genehmigen es sich. Ich würde solche Einkommen sehr hoch besteuern. Und die Aktionäre sollten über das Gehalt abstimmen. Ich bin Anhänger einfacher Marktmechanismen. Angebot und Nachfrage entscheiden über das Gehalt, fertig. Beim Sport funktioniert das auch.

SZ: Im Sport wird sehr hoch bezahlt.

Lang: Aber es kassiert nur ein Spitzengehalt, wer für ein Team als unersetzbar gilt. Zum Beipiel Frank Ribery bei den Bayern. Josef Ackermann dagegen ist jederzeit ersetzbar.

SZ: Gibt es Aktien, bei denen Sie moralische Bedenken haben?

Lang: Probleme habe ich mit dem Handelskonzern Walmart, weil die ihre Angestellten so schlecht behandeln. Oder mit reinen Rüstungskonzernen wie Rheinmetall. Ich gebe aber zu, ich würde die Aktien empfehlen, wenn ich sie für einen Renner halten würde.

SZ: Klingt nach Doppelmoral.

Lang: Ich zeige nur, was lohnend sein könnte. Dann entscheiden die Kunden.

SZ: Kaufen Sie selbst Rüstungsaktien?

Lang: Nein. Ich bin anerkannter Wehrdienstverweigerer.

SZ: Soll man ethisch anlegen?

Lang: Ich mag die expliziten Ethik-Fonds nicht. Viele dieser Aktien sind sehr teuer, etwa Solaraktien.

SZ: Moses kritisierte Zinsen, von Armen sollte man keine nehmen. Im Hebräischen gibt es für Zins und Wucher nur ein Wort. Auch die Reformatoren Luther und Calvin hatten Probleme mit hohen Zinsen. Und nach der Finanzkrise wollen manche Linke die Zinsen verbieten.

Lang: Wer auf Zinsen verzichtet, manipuliert die Märkte. Schauen Sie sich die Probleme der arabischen Staaten an. Die dürfen keinen Zins nehmen, suchen aber nach Umwegen. Die Reformatoren wollten nur, dass sich Menschen in Not bedingungslos helfen - und nicht auch noch Zinsen verlangen. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, sich den Geldverleih bezahlen zu lassen.

SZ: Hm. Können christliche Regeln überhaupt helfen, die Finanzkrise zu lösen?

Lang: Jesus hat gesagt: Liebe deinen Nächsten wie Dich selbst. Da steckt alles drin, was man wissen muss.

SZ: Wurde das Gebot der Nächstenliebe vor der Krise missachtet, indem sich zu viele zu viel auf Kosten anderer nahmen?

Lang: Banker verließen sich darauf, dass ihrem Institut nichts passieren kann, weil sie zu groß sind und daher im Notfall gerettet werden müssen. Deshalb gingen einige unvertretbare Risiken ein und maximierten ihr Einkommen.

SZ: Sie haben Ihr Interesse an der Börse anfangs mit strategischem Denken begründet. Was genau ist Ihre Strategie?

Lang: Wichtig ist, aus der Vergangenheit zu lernen. Wenn die langfristigen Zinsen sinken, ist das gut für die Börse, solange sie höher sind als der kurzfristige Geldmarktsatz. Wenn die Zinsen wieder steigen, sollte man sich nach einem halben, dreiviertel Jahr aus Aktien verabschieden. Diese Grundregel bewährt sich seit mehr als hundert Jahren.

SZ: Welche Regeln sehen Sie noch?

Lang: Steigende Ölpreise sind schlecht für die Börse, und zwar schon sehr kurzfristig. Außerdem stieg der Dax viele Jahre fast parallel mit dem Dollar. Und: Im Durchschnitt ist jedes dritte Jahr an der Börse ein Baisse-Jahr. Das kann man sich merken und danach handeln. Ich rate, nach drei bis vier Jahren Gewinne mitzunehmen.

SZ: Sie prognostizierten den Crash 1987 richtig, auch 2000 warnten sie rechtzeitig. Wie lagen sie vergangenes Jahr?

Lang: Schlecht. Ich dachte, bis Sommer sind alle Verluste passiert. Aber nach der Lehman-Pleite ging es erst richtig nach unten.

SZ: Wagen Sie eine Prognose, nachdem Sie 2008 falsch lagen?

Lang: Es gehen momentan nur Aktien. Mit Immobilien ist nicht viel los, außer man möchte drin wohnen. Anleihen bringen nichts, Aktiendividenden sind wesentlich höher als die Zinsen. Nur wer glaubt, der große Crash stehe erst bevor, muss die Finger von Aktien lassen.

SZ: Wie kann ein vorsichtiger Anleger auf der Hut sein?

Lang: Indem er Standardwerte kauft, mit Dividendenrenditen von vier bis fünf Prozent.

SZ: Welche Renditen halten sie grundsätzlich für realistisch an der Börse?

Lang: Zehn Prozent müssten bei einem reinen Aktiendepot machbar sein, wenn man rechtzeitig ein- und aussteigt.

SZ: Viele Ihrer Empfehlungen basieren auf Computerauswertungen von Finanzdaten. Die großen Banken haben aber leistungsfähigere Computer und mehr Leute. Wieso sollten die Menschen Ihren Prognosen trauen?

Lang: Die Banken haben eigene Interessen, weshalb unter Umständen manches nicht veröffentlicht wird. Wenn die Banken etwas veröffentlichen, dann ist es schon längst passé, die Banken haben dann für sich selbst schon gekauft.

SZ: Wer nicht so viel Zeit für Aktien hat, soll der Fonds kaufen?

Lang: Bloß nicht. Aktienfonds mit ihren Ausgabeaufschlägen sind für mich ein rotes Tuch, zu teuer. Es ist ja bekannt, dass 80 Prozent aller Fondsmanager nicht schaffen, den Index zu schlagen. Sie haben es zugegebenermaßen auch schwer. Wenn die Aktienkurse unten sind, will kaum ein Kunde investieren und wenn die Märkte haussieren, springen alle auf und die Fondsmanager sind gezwungen, das Geld in Aktien zu investieren, auch wenn es vielleicht langsam Zeit wäre, wieder auszusteigen.

SZ: Sie stehen mit mehreren Anlagen auf Kriegsfuß. Lebensversicherungen bezeichnen Sie als "dümmstes Investment überhaupt".

Lang: Bei den Kapitallebensversicherungen kassieren viel zu viele Leute ab. Eine Lebensversicherung ist wie ein Fonds, mit dem Unterschied, dass anstelle des Ausgabeaufschlags noch viel höhere Abschlussprovisionen für die Vermittler fällig werden. Das zehrt gewaltig an der Rendite.

SZ: Was haben Sie bislang an der Börse verdient?

Lang: Mehrere hunderttausend Euro.

SZ: Was waren Ihre größten Fehlkäufe?

Lang: Da gab es einige. General Motors hielt ich lange Jahre für einen Wert, der die Wende schafft, verkaufte aber zum Glück rechtzeitig. Ähnlich ging es mir mit American Airways.

SZ: Was verdienten Sie als Pfarrer?

Lang: So etwa 3500 Euro brutto, aber das war damals, 1992, netto ähnlich.

SZ: Predigen Sie manchmal noch?

Lang: Ja, ab und zu helfe ich noch aus. Und erzähle auch schon mal was über die zu üppigen Managergehälter.

SZ: Werden Sie noch oft als Seelsorger in Anspruch genommen?

Lang: Oh, ja, mit Geld und vor allem nach dem Verlust von Geld kommen bei den Menschen große Ängste auf. Als Seelsorger stellt man oft fest, dass hinter großen Problemen etwa in der Ehe im wesentlichen Geldprobleme stecken.

SZ: Also macht Geld glücklich.

Lang: Kein Geld macht jedenfalls unglücklich.

© SZ vom 09.10.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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