Studentenwohnungen:Kleiner und billiger

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Briefkästen an einem Münchner Studentenwohnheim: Wer in einer öffentlich geförderten Einrichtung unterkommt, lebt bescheidener, aber günstig. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Private Betreiber wetteifern um Immobilien und Investoren. Gab es bisher meist nur Angebote im Luxusbereich, setzen die Unternehmen nun stärker auf preiswertere Unterkünfte.

Von Marianne Körber

Für Münchner Studenten mag das wie ein Traum klingen: Ein Apartment mit mindestens 14 Quadratmetern, Bad, Küchenzeile, Flur, und das alles für höchstens 260 Euro Miete im Monat. In der bayerischen Hauptstadt kostet so etwas mindestens das Doppelte, es sei denn, man kommt beim Studentenwerk unter. Dieses bietet in München 11 000 Plätze, für 116 000 Studenten, für eine durchschnittliche Bruttowarmmiete von 218 Euro.

Das schöne Apartment ist noch eine Zukunftsvision, gezeichnet vom Bundesbauministerium. Es unterstützt den Bau zusätzlicher Studentenwohnungen mit 120 Millionen Euro, wie im August bekannt gegeben wurde. Das Geld soll Investoren dazu bringen, auf diesem Markt nachhaltig aktiv zu werden. Das Besondere daran: Werden eines Tages weniger Studentenunterkünfte gebraucht, können diese in altersgerechte Wohnungen umgewidmet werden. Im Ministerium wird im Moment noch an der Umsetzung des Programms gearbeitet. "Noch in diesem Monat werden die Bedingungen ausgeschrieben, wie sich Investoren an dem neuen ,Förderprogramm für Vario-Wohnungen' beteiligen können", sagte ein Sprecher in Berlin zum Zeitplan.

Die soziale Wohnraumförderung ist Sache der Länder, und die versuchen ihrerseits, den Mangel zu beheben. Bayern etwa stellte 2014 insgesamt 37,5 Millionen Euro bereit, womit 1518 Wohnheimplätze gefördert wurden. Gut, aber viel zu wenig. Zu wenig Mittel, zu wenig Baugrund. Baustaatssekretär Gerhard Eck appellierte denn auch beim "Austauschforum Studentisches Wohnen" im Juli an die Städte, für den Bau von Studentenwohnungen geeignete bezahlbare Grundstücke zur Verfügung zu stellen: "Denken Sie auch über eine Verringerung der geforderten Stellplätze für ein Studentenwohnheim nach und führen Sie die Baugenehmigungsverfahren zügig durch. Auch die Universitäten und Hochschulen sollten überlegen, ob auf den Hochschulgeländen Flächen für das studentische Wohnen eingeplant werden können. Auf einem Hochschulcampus sollte im Idealfall auch Platz für ein Studentenwohnheim sein."

Die Zimmer werden kleiner, die Küche ist für alle da, die Mieten werden erschwinglich

Wo der Staat die Nachfrage nicht decken kann oder will, kommen private Investoren ins Spiel. Nach Angaben des Immobilienunternehmens CBRE sind in Deutschland etwa 20 000 Wohnplätze in Bau oder Planung, 17 000 davon von privaten Betreibern. Diese bringen unter Namen wie Campus, Studiosus, Uniapart oder StudioM Studentenapartments auf den Markt, oft mit Fitnessstudio und Swimmingpool. Wer sich dort einmietet, zahlt grob gesagt zwischen 300 und 900 Euro im Monat, Strom und Internet zum Teil noch extra.

Das durchschnittliche studentische Einkommen liegt heute bei 900 Euro im Monat, stellte der Immobiliendienstleister Savills fest. Das klingt nach viel - und in Chemnitz reicht das, in München nicht. Doch wie teuer die Miete auch ist, an großen Hochschulzentren sind alle Angebote sofort weg. Viele Studenten nehmen, was sie kriegen können, und versuchen später, in billigere Unterkünfte zu wechseln.

Die Experten von Savills Research Deutschland sagen dem Markt eine gute Zukunft voraus. Aber nicht nur im Premium-Segment. Im mittleren Preisbereich gebe es ein gewaltiges Wachstumspotenzial: "Ein Anbieter, der auch die Nachfragegruppe mit etwas geringerem Budget bedienen kann, wird sein potenzielles Nachfragevolumen unter Umständen vervielfachen", heißt es in einer Analyse zum studentischen Wohnen. Angesichts der Tatsache, dass nur fünf Prozent aller Studenten mehr als 450 Euro pro Monat für ihre Miete aufwenden könnten, stelle sich für Betreiber über kurz oder lang die Frage, wie sich weiteres Wachstum realisieren lasse.

Der Markt befindet sich laut Savills im Umbruch. Das zeige die "Erschließung der Mitte", außerdem die Verschiebung von Studentenwohnen zum Mikrowohnen. Als Beleg für diese Entwicklung nennt Savills die in München ansässige Firma International Campus AG (IC). Das 2011 gegründete Unternehmen entwickelt und betreibt zurzeit eher höherpreisige Studentenwohnheime mit derzeit etwa 1700 Plätzen. Das Geld dafür stammt von privaten Investoren aus dem In- und Ausland. Nun bringt IC mit der Produktlinie "The Fizz Basics" ein abgespecktes Angebot auf den Markt - beispielsweise Apartments mit Bad, aber ohne integrierte Küche.

Derzeit ist in Köln ein solches Wohnheim in Planung für bis zu 300 Studenten, ab 360 Euro, alles inklusive. Das ist möglich, weil kleiner gebaut wird. "Die Zimmer haben etwa 14 bis 15 Quadratmeter", sagt IC-Vorstandschef Horst Lieder, "wir werden flächeneffizienter". Derzeit warte man auf die Baugenehmigung. Zum Konzept sagt er: "Wir wollen eine tiefere Marktdurchdringung, wir gehen die dicke Mitte an!" Und das später auch in anderen Städten, verriet Lieder.

Schön für die Bewohner, schön für die Investoren, die meist mit fünf bis sechs Prozent Rendite kalkulieren, und schön für IC, denn das Unternehmen hat große Pläne. In den nächsten zehn Jahren will es mehr als 15 000 Plätze für Studenten anbieten.

Mit Geld von privaten Investoren arbeitet auch die Deutsche Real Estate Funds, kurz DREF. Das 2013 gegründete Unternehmen gehört zur Bauer-Gruppe und hat seit Februar internationale Investoren im Boot - die Londoner Firma Internos Global Investors und das Family Office Somerston Group halten gemeinsam 27,5 Prozent. DREF hat allein seit Juni 110 Millionen Euro in studentisches Wohnen investiert; das entspreche fast 50 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens von 2014 auf dem deutschen Markt.

Das Geld für die Projekte kommt von privaten Investoren. Sogar über eine Anleihe

Um das Wachstum zu finanzieren, hat DREF im Juni eine Anleihe im Volumen von 44 Millionen Euro ausgegeben, Laufzeit fünf Jahre bei einer Verzinsung von 4,675 Prozent. Das war bereits der zweite Anlauf - im März war schon einmal eine Emission geplant mit einem weitaus höheren Volumen und einem niedrigeren Kupon von 4,375 Prozent. Warum, erklärt DREF-Chef Felix Bauer so: "Das Interesse der Investoren war auch im März groß. Da es die erste Anleihe dieser Art in Deutschland war, war damit für alle Beteiligten - inklusive der Investoren - auch ein gewisser Lernprozess verbunden". Auf Wunsch der Investoren habe man alle Entwicklungsprojekte aus dem Portfolio genommen und ausschließlich in bestehende Immobilien investiert, die Anpassungen hätten etwas Zeit gebraucht. Und Shaun Robinson, Chef von Somerston Capital, sagt: "Erstmalig können sich institutionelle Investoren am Kapitalmarkt an studentischem Wohnraum in Deutschland beteiligen. Deshalb war das erst der Anfang." Die zweite Anleiheemission ist in Planung, "mindestens in doppelter Höhe".

Im Bestand hat DREF etwa 2300 Wohneinheiten, bis Ende 2016 sollen 7000 im Portfolio sein. Vor allem im mittleren Preissegment klaffe eine riesige Lücke zwischen Angebot und Nachfrage, hier fehlten mehr als 200 000 Wohnheimplätze, heißt es beim Unternehmen, das für einen Wohnheimplatz je nach Universitätsstadt Warmmieten zwischen 250 und 400 Euro verlangt. Felix Bauer: "Damit bewegen wir uns im mittleren Preissegment, das sich eine Mehrheit an Studenten leisten kann und will." Laut einer CBRE-Studie seien etwa 44 Prozent der Studenten, also knapp 1,2 Millionen, bereit, für eine "optimale Wohnsituation" zwischen 300 und 400 Euro zu bezahlen, optimal im Sinn von zentral gelegen, mit Bad und kleiner Küchenzeile und mit guter Einrichtung.

Öffnet sich die Branche also für niedrigere Preisbereiche?

Die Firma Youniq, die sich als einer der führenden Anbieter für studentisches Wohnen in Deutschland sieht, könnte bald mehr und preiswertere Konkurrenz bekommen. Das Unternehmen, das "um die 2600 hochwertige" Apartments in der Bewirtschaftung bzw. im Bau hat, schrieb im Geschäftsbericht 2014 noch von einer "nach wie vor komfortablen Wettbewerbssituation mit einer geringen Anzahl an Konkurrenten". Woraus die zum Schweizer Immobilienkonzern Corestate gehörende Gesellschaft auf gute Wachstumsaussichten schloss. Ob auch Youniq ins mittlere Preisniveau einsteigen will, ist offen.

In Deutschland fehlen Hunderttausende günstige Wohnungen, für Einkommensschwache, temporär Beschäftigte, für Wochenendpendler und Flüchtlinge. Die Nachfrage ist riesig, sie steigt und steigt. Der Markt könnte für viel mehr Investoren interessant sein, wenn er breiter aufgestellt wäre. Dann wäre mehr Geld da für den Wohnungsbau. Die Experten von Savills empfehlen, "aus der bisherigen Nische des Premium-Studentenwohnens auszubrechen und sich mit innovativen Ansätzen weitere Zielgruppen zu erschließen". Zum Wohl aller.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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