Streit um Griechenland:Berlin gegen alle

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Die EU vor dem Zerwürfnis: Deutschland will die Währungsunion reformieren, die anderen Mitgliedsstaaten und Kommissionspräsident Barroso denken nicht daran, mitzuziehen.

C. Gammelin, C. Hulverscheidt

Der Europäischen Union droht wenige Tage vor dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs ein Zerwürfnis. In Kreisen der Mitgliedstaaten hieß es, wenn Frankreich und Deutschland den Streit über Hilfen an Griechenland und über den Stabilitätspakt nicht rasch beilegten, werde der Gipfel scheitern. Die Bundesregierung sei mit ihrer Haltung isoliert.

Die meisten EU-Staaten treten dafür ein, dass die Union die mit einer Haushaltskrise kämpfenden Regierung in Athen finanziell unterstützt. Denkbar wären zum einen bilaterale Hilfen: Ein solcher Notfallmechanismus müsse so schnell wie möglich kommen, sagte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso am Donnerstag. Nachgedacht wird aber auch über Garantien auf griechische Staatsanleihen. Athen müsste den Käufern der Papiere dann nicht mehr so hohe Zinsen zahlen.

Furcht vor hohen Zinsen

Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou erhöhte am Freitag den Druck auf die Partner, indem er erklärte, sein Land steht nur noch einen Schritt davor, keine Kredite mehr aufnehmen zu können. Es sei unzumutbar, sollte Griechenland auf Jahrzehnte hinaus Wucherzinsen zahlen müssen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt einen Gipfelbeschluss über konkrete Hilfen dennoch ab und verlangt stattdessen, dass der Stabilitätspakt drastisch verschärft wird. Damit will sie künftige Krisen verhindern. Im schlimmsten Fall soll ein Euro-Land sogar aus der Währungsunion ausgeschlossen werden können.

In Berlin wird offen eingeräumt, dass Merkel mit ihrer Forderung weitgehend allein steht. Die Kanzlerin treibe jedoch die tiefe Sorge um, dass eine Unterstützung Griechenlands ohne anschließende Grundsatzreform eine Kettenreaktion auslösen könnte, an deren Ende die Stabilität des Euro zerstört sei, hieß es in Regierungskreisen.

Europa müsse aus dem Fall Griechenland lernen und dafür sorgen, dass rasch ein geordnetes Verfahren für den künftigen Umgang mit solchen Krisen geschaffen werde. Streit gibt es auch, weil die Bundesrepublik noch 2003 an einer Aufweichung des Stabilitätspakts beteiligt war und weil mehrere EU-Partner, darunter Frankreich, Deutschland vorwerfen, mit einer aggressiven Exportpolitik die wirtschaftlichen Spannungen in der Eurozone zu vergrößern. Auch dieser Vorwurf wurde in Berlin zurückgewiesen.

"Keine Wirtschaftsregierung"

Für weiteren Zündstoff sorgte Kommissionspräsident Barroso. "Seien wir ehrlich, wir werden keine Wirtschaftsregierung in der EU haben", sagte er in Brüssel. Die Mitgliedsländer der Gemeinschaft müssten ihre Wirtschaftspolitik künftig "besser koordinieren und regeln", weitergehende Ideen seien jedoch unrealistisch.

Damit distanziert sich Barroso überraschend deutlich vom wichtigsten Vorschlag des letzten EU-Sondergipfels. Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatten im Februar angekündigt, die Europäische Union werde eine gemeinsame Wirtschaftsregierung ins Leben rufen. "Alle sind einverstanden", erklärten sie. Es sei eine der Lehren aus der Krise, dass Europa ein solches Koordinationsgremium brauche.

Nach Angaben aus Kommissionskreisen distanziert sich nun ausgerechnet Sarkozy von der Idee, die er selbst lange vorangetrieben hatte. Paris sei angesichts der konkreten Planungen "ein wenig überrascht, was es konkret bedeutet, Kompetenzen in der nationalen Wirtschaftspolitik abzugeben", sagte ein hoher EU-Beamter.

© SZ vom 20.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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