Strahlung:Durch den Boden

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Hohe Radonkonzentrationen in Wohnungen erhöhen das Lungenkrebsrisiko. Meist ist die Belastung zwar nur gering. In manchen Regionen sollten Bauherren aber Keller und Bodenplatte gut abdichten.

Von Lars Klaaßen 

Risiken durch Radioaktivität haben die Republik in den vergangenen Jahren wieder einmal sehr beschäftigt. Nach dem GAU im japanischen Kernkraftwerk Fukushima vor vier Jahren wurde in Deutschland zum zweiten Mal der Atomausstieg beschlossen. Auch wenn extreme Belastungen durch Unfälle in Atomkraftwerken in Deutschland dann nicht mehr zu befürchten sind, bleibt die dauerhafte Strahlenbelastung aus dem Boden. Die ist in der Regel gesundheitlich nicht bedenklich. Doch in einigen Regionen Deutschlands sind die Konzentrationen so hoch, dass die Betroffenen sich schützen sollten. Vor allem Teile Bayerns und Sachsens sind davon betroffen.

Die Ursache ist Radon, ein natürliches radioaktives Edelgas. Es entsteht im Erdboden, wenn dort sein Mutternuklid Radium vorhanden ist. Von dort gelangt Radon ins Freie - und auch in Gebäude. Im Freien verflüchtigt sich das Gas schnell. In Häusern ist dies aber nicht unbedingt der Fall. Die Bewohner bemerken nichts von hohen Konzentrationen, weil das Gas geruch-, geschmacks- und farblos ist. Erhöhte Radonkonzentrationen können zu gesundheitlichen Belastungen führen. Gefährlich sind die beim Zerfall des Radons entstehenden radioaktiven Stoffe. Mehrere Studien ergaben, dass etwa zehn Prozent aller Lungenkrebstodesfälle durch Radon in Gebäuden mitverursacht werden. Das Lungenkrebsrisiko Nummer eins ist aber nach wie vor das Rauchen. Da Radon und Rauchen sich wechselseitig in ihrer Wirkung verstärken, haben Raucherinnen und Raucher allerdings ein besonders hohes Lungenkrebsrisiko durch Radon.

In den meisten Regionen ist die durch Radon verursachte Belastung gering. In Teilen Bayerns und Sachsens aber sollten Keller gut abgedichtet sein. (Foto: Johannes Simon)

Wer beim Hausbau ein paar wenige Grundregeln einhält, kann Radon verlässlich ausschließen

Für alle Menschen gilt zudem: Es gibt keinen Hinweis für einen Schwellenwert, unterhalb dessen Radon nicht mehr gesundheitsschädlich wirkt. Mit zunehmender Radonkonzentration in den Aufenthaltsräumen steigt das Risiko einer Lungenkrebserkrankung proportional an. Das heißt: je höher die langjährige Radonkonzentration in der Wohnung, desto stärker ist die schädliche Wirkung. Das Risiko erhöht sich laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) um etwa 16 Prozent pro Anstieg der langjährigen Radonkonzentration um 100 Becquerel pro Kubikmeter (Bq/m3³) in der Innenraumluft. Die gute Nachricht lautet: Oft reichen kleine Maßnahmen aus, um den Radongehalt in den Immobilien und damit das Erkrankungsrisiko deutlich zu verringern.

Der Mittelwert der Radonkonzentration in Wohnungen beträgt in Deutschland laut BfS etwa 50 Becquerel pro Kubikmeter. In manchen Regionen ist der Durchschnitt aber wesentlich höher. Die Radonkonzentration in Wohnräumen kann zwar schon durch vermehrtes Lüften gesenkt werden. Das ist aber spätestens im Winter problematisch und wird in der Regel nur als provisorische Maßnahme empfohlen. Bei höheren Radonkonzentrationen ist es sinnvoll, das Haus abzudichten. "Radon lässt sich bautechnisch relativ einfach beherrschen", erklärt Hartmuth Brunzel, Bausachverständiger und Büroleiter des Verbandes Privater Bauherren (VPB) in Dresden. "Wer einen wasserundurchlässigen Keller baut und diesen mit einer Abdichtung versieht, die Bitumen enthält, schließt das Radon verlässlich aus." Orientierung gebe hier zum einen die Richtlinie für "Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton" des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton. Die Qualität der teerartigen Abdichtung wiederum regele die DIN 18195. "Das funktioniert genauso bei Bodenplatten ohne Keller: Eine wasserundurchlässige Bodenplatte plus bituminöse Abdichtung gleich Schutz vor Radon", sagt Brunzel. Die technische Seite ist zwar überschaubar, durch Richtlinie wie Norm auch klar geregelt und damit überprüfbar. "Manche Baufirmen halten die bituminöse Abdichtung dennoch für überflüssig und lassen sie einfach weg", warnt der VPB-Sachverständige. "Oder sie erklären, die Bauherren könnten durch Verzicht auf die angeblich überflüssige Abdichtung Geld sparen." Alles in allem mache der Preisunterschied aber nur etwa 1000 Euro aus. "Der Verzicht auf die Bitumenabdichtung ist ungeschickt", sagt Brunzel.

(Foto: SZ-Grafik)

Wie dringend Sanierungsarbeiten durchgeführt werden sollten, richtet sich nach der Höhe des Jahresmittelwertes. "Bei Konzentrationen über 1000 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft sollten die Maßnahmen innerhalb von drei Jahren abgeschlossen sein", rät das BfS. Vor einer Sanierung sollte ein Fachmann zunächst die Ursachen ermitteln und die bauliche Situation bewerten. Aufwand und Erfolgsaussichten sind die entscheidenden Kriterien, um die verschiedenen Sanierungsmöglichkeiten gegeneinander abzuwiegen. Nach Abschluss der Sanierung empfiehlt es sich, den Erfolg der Maßnahmen durch weitere Messungen zu überprüfen.

Herrscht in der Immobilie ein starker Unterdruck, saugt sie die Bodenluft an

Das Gas findet seinen Weg aufgrund des Druckunterschieds zwischen Untergrund und Gebäudeinnenräumen. Ist das Haus gegenüber dem Baugrund auch nur geringfügig undicht, wirkt es wie ein Kamin. Bereits bei einem geringen Unterdruck im Gebäude kann die radonhaltige Bodenluft aus einem Umkreis bis zu 20 Metern angesaugt werden. Über Treppen, undichte Geschossdecken, Aufzüge oder Kabelkanäle erreicht Radongas auch die höher gelegenen Geschosse, wobei es zunehmend verdünnt wird.

In den Durchdringungen für Rohre im Kellerboden sieht Brunzel ein weiteres Problem. Auch diese müssen gasdicht angeschlossen werden. "Dabei kommt es entscheidend auf die handwerkliche Qualität an", erklärt der VPB-Sachverständige. Sinnvoll sind Auffüllungen ums Gebäude mit nicht bindigem Material wie beispielsweise Sand und Kies. Radon kann dann vor der abgedichteten Außenwand nach oben entweichen. Allerdings sollten die Kellerwände keine Löcher haben, in die das Gas eindringen kann. Für neue Probleme sorgen seit einigen Jahren moderne, kontrollierte Be- und Entlüftungsanlagen. In automatisch belüfteten Räumen herrscht oft Unterdruck. Entsprechend wird schon durch kleine Lecks Luft von außen angesaugt. "Kommen also undichte Keller und moderne Lüftungstechnik zusammen, zieht die Anlage das Radon quasi in die Wohnräume", sagt Brunzel. Vermeiden lässt sich das nur durch eine richtig eingestellte Lüftung, eine sorgfältige Planung und eine ordentliche Bauausführung. Bauherren sollten deshalb die Baupläne und den Baufortschritt regelmäßig von Sachverständigen kontrollieren lassen.

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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