Steuerhinterziehung:Paradiese am Pranger

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Auch in den USA wächst der Unmut über Steueroasen: Im Kongress liegt bereits ein Gesetzentwurf gegen Betrüger.

Hans Leyendecker und Nicolas Richter

Das Verfahren, das die Bochumer Staatsanwaltschaft unter dem Aktenzeichen 35 Js 220/07 betreibt, läuft "Gegen Dr. Feuerstein u.A. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung bzw. der Beihilfe". U. A. - das sind mindestens siebenhundert Bundesbürger (wie etwa Ex-Postchef Zumwinkel), die in Liechtenstein viel Geld vor dem Finanzamt versteckt haben sollen. Dr. Feuerstein steht für Nicola Feuerstein. Der Schweizer Jurist stand von 2001 bis 2004 der LGT Treuhand in Vaduz vor, die im Mittelpunkt der großen Steueraffäre steht. Gegen ihn und einige seiner Kollegen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

Ermittlungen sogar in Australien

Dass ein früherer Bankmanager aus Liechtenstein im Mittelpunkt einer der größten deutschen Steueraffären steht, ist kein Zufall. Die Strafverfolger wollen neben den deutschen Steuersündern auch deren mutmaßliche Helfer und, wenn möglich, auch die Anstifter anklagen.

Die Affäre um Steuerhinterziehung mit Hilfe von Konten in der kleinen Alpenfeste zieht international immer weitere Kreise und sie zielt auf den Finanzplatz Liechtenstein, der lange Zeit unangreifbar schien. Weltweit verdächtigen Fahnder Steuerhinterzieher, über Stiftungen des Fürstentums Geld am jeweiligen Fiskus vorbei geschleust zu haben. Mittlerweile haben neben Deutschland auch Schweden, Großbritannien, Italien, Frankreich und sogar Australien Ermittlungen eingeleitet. Die Zahl der Fälle in den jeweiligen Ländern liegt zwischen 20 und 200. Zuletzt gab die US-Steuerbehörde IRS in Washington bekannt, dass sie die Liechtenstein-Konten von mehr als hundert Amerikanern untersucht.

Während die ersten Verdächtigen schon Besuch von der Steuerfahndung erhalten haben, ist noch ziemlich unklar, welche politischen Konsequenzen den Steuerparadiesen drohen. Liechtensteins Regierungschef Otmar Hasler musste sich unlängst in Berlin deutliche Worte anhören, doch es ist nicht ausgemacht, dass die Bundesregierung auch eine internationale Koalition gegen Steuerflucht und Steuerbetrug zusammenbringt.

An diesem Donnerstag wird in Brüssel das Protokoll über den Beitritt Liechtensteins zum Schengen-Raum unterzeichnet, das Papier muss dann von allen Schengen-Staaten ratifiziert werden. Das ist durchaus ein Druckmittel: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bereits angedeutet, dass der Bundestag sich damit schwer tun könnte, falls Liechtenstein in Steuerfragen nicht kooperiert. Merkel könnte auch beim EU-Gipfel am 13. und 14. März in Brüssel versuchen, eine gemeinsame Erklärung gegen Steuerparadiese zu erreichen. Es wird aber erwartet, dass sich Luxemburg oder Österreich dagegen stemmen: Wegen fehlender Transparenz in Steuerfragen stehen sie selbst schon lange in der Kritik.

Auch aus den USA droht den Steuerparadiesen Ungemach. Die Washingtoner Steuerbehörde IRS hat bereits im Jahr 2007 Daten von einem Informanten erhalten, bei dem es sich wohl um den Zuträger des Bundesnachrichtendienstes handelt: Heinrich K. Politisch hat sich die US-Regierung zwar bisher zurückgehalten, das Parlament aber hat Steueroasen längst als Ärgernis ausgemacht. Der Senator Carl Levin hat bereits eine Untersuchung zum Fall Liechtenstein angekündigt, im Jahr 2006 legte er einen 400-Seiten-Bericht darüber vor, wie Amerikaner ihr Geld etwa auf den Cayman-Inseln vor dem Fiskus verstecken.

Die britische Kronkolonie in der Karibik ist das fünftgrößte Finanzzentrum weltweit, für US-Bürger ist es schnell zu erreichen. Insgesamt enthalten die Amerikaner ihren Steuerbehörden im Jahr bis zu 70 Milliarden Dollar vor. Im vergangenen Jahr hat Levin zusammen mit dem Senator und Präsidentschaftsanwärter Barack Obama einen Gesetzesentwurf im Senat eingebracht, der gegen die Steuerparadiese und deren Nutzer vorgehen soll. Der Entwurf beinhaltet eine schwarze Liste von Ländern, auf der neben Liechtenstein auch die Schweiz, Luxemburg oder Gibraltar stehen. Die USA haben die Banken in der Schweiz und Liechtenstein zwar schon vor Jahren dazu gezwungen, ein Steuerabkommen abzuschließen. Danach müssen die Banken die Steuern auf Kapitalerträge amerikanischer Kunden direkt an den US-Fiskus abführen. Ist der Kontoinhaber aber eine Anstalt oder Stiftung nach örtlichem Recht, greift das Abkommen ins Leere.

Unklar ist noch immer, wie sich das Liechtenstein-Fieber weltweit ausgebreitet hat. Nach Zeitungsberichten haben italienische, spanische oder auch französische Finanzbehörden die ihre Bürger betreffenden Liechtenstein-Angaben von deutschen Behörden oder Ministerien erhalten. Nur von wem? Sowohl Finanzministerium, Bochumer Staatsanwaltschaft und Bundesnachrichtendienst beteuern, dass sie es nicht gewesen sind. Im Falle Großbritanniens und der USA steht zumindest fest, dass der Informant aus Liechtenstein seine Ware selbst angeboten hat. "Es war im vergangenen Jahr", erklärt die US-Steuerbehörde auf Anfrage. Der Informant habe kein Honorar bekommen, sondern werde an den Erträgen der Razzien beteiligt. In einigen Staaten müssen schon im Sommer 2007 erste Razzien stattgefunden haben. Zu dieser Zeit nämlich beklagten sich bei der LGT Treuhand in Vaduz erste Kunden über Ärger mit der Steuerfahndung.

Nun steht Liechtenstein am Pranger, und nicht alle finden den Umgang mit dem Fürstentum sehr diplomatisch. Der ehemalige deutsche Botschafter in der Schweiz, Frank Elbe, beklagte am Mittwoch in der Neuen Zürcher Zeitung: "Von Respekt für Liechtenstein" habe man zuletzt "wenig gespürt".

© SZ vom 28.02.2008/pak/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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