Fast ein halbes Jahrhundert lang bemühten sich diverse deutsche Bundesregierungen vergeblich um ein Steuerabkommen mit der Schweiz. Aber die Lobby der "Gnomen von Zürich", wie ein früherer britischer Außenminister die Schweizer Geldhändler mal genannt hat, war zu stark. Das Bankgeheimnis, das auf Kosten anderer Länder ging, wurde lange Zeit wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Schätzungsweise 130 Milliarden Euro unversteuertes deutsches Geld lagern immer noch in der Schweiz. Deutschland ist damit das größte Herkunftsland für das in der Schweiz versteckte Schwarzgeld.
Mitte dieser Woche paraphierten deutsche und schweizerische Unterhändler nach langen Verhandlungen ein bilaterales Steuerabkommen, das noch nicht in allen Details bekannt ist. In Deutschland müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen, in der Schweiz wird möglicherweise eine Volksabstimmung nötig sein.
Ob das Abkommen, wie geplant, Anfang 2013 in Kraft treten wird, ist angesichts der Kräfteverhältnisse in der Länderkammer, wo die schwarz-gelbe Regierungskoalition nicht über eine Mehrheit verfügt, ungewiss. Führende Sozialdemokraten haben bereits der Bundesregierung vorgeworfen, die Steuergerechtigkeit den Interessen Schweizer Banken und "ihrer straffälligen deutschen Kunden zu opfern". Andererseits brauchen auch die Länder mehr Steuereinnahmen. Es bleiben etliche Fragen.
Bedeutet das Abkommen eine Art Amnestie oder eine Teil-Amnestie?
Eine Strafbefreiung soll Teil des Gesamtpakets sein. Nach Angaben von Kennern soll in dem bislang nicht publizierten Abkommen ausdrücklich vermerkt werden, dass Steuerstraftaten, die vor Unterzeichnung des Abkommens erfolgt sind, "nicht mehr verfolgt werden". Diese Regelung soll dann für alle "Beteiligten" gelten: also sowohl für Haupttäter, die Hinterzieher, als auch für ihre Helfer, vor allem in Deutschland oder der Schweiz. Die Ausnahme sind Fälle, wo die Sachverhalte schon den Behörden bekannt und Steuerstrafverfahren eingeleitet worden sind.
Hätte eine solche Regelung vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand?
Unklar ist, ob es eine entsprechende Klage vor dem höchsten Gericht geben wird. Wenn ja, wäre sie vermutlich nicht aussichtslos. Eine solche Teil-Amnestie durch die Hintertür würde möglicherweise zu einer erheblichen Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen führen. Steueranwälte haben in den vergangenen Jahren ihre Klientel immer wieder zu Selbstanzeigen ermuntert.
Lohnt sich eine Selbstanzeige noch?
Wer in der Vergangenheit durch eine Selbstanzeige reinen Tisch gemacht hat, wäre bei Inkrafttreten des Abkommens der Dumme. Das Abkommen sieht eine pauschale Steuer für die vergangenen zehn Jahre vor. Die konkrete Höhe richtet sich nach der Dauer der Geldanlage in der Schweiz und nach der Entwicklung des Vermögens. Die individuelle Belastung auf das jeweilige Kapital soll zwischen 19 und 34 Prozent liegen; also erheblich weniger als nach einer Selbstanzeige fällig würde. Bei einer regulären Nachversteuerung fallen, auch wegen der Zinsen, erheblich höhere Beträge an.